Die Rückkehr der Königin - Roman
gewisse Ähnlichkeit mit den lauten Affen hatte, deren schmerzliche Bekanntschaft sie in der Vergangenheit gemacht hatten, packte Angharas Hand, als diese vorbeiging. »Zwei sessi? «, krächzte sie schamlos und einschmeichelnd. »Zwei sessi und ich sage dir deine Zukunft voraus. Eine junge Lady mit einem so liebreizenden Gesicht und einem so gut aussehenden jungen Herrn an der Seite – willst du nicht wissen, was die Zukunft dir bringt, Täubchen ...«
Anghara entzog ihr ruhig die Hand. »Nein, danke, Mütterchen. Vielleicht ein andermal.«
Als Kieran vorbei wollte, schnappte sich die Alte seine Hand und hatte die Handfläche nach oben gedreht, ehe er sie abschütteln konnte. Er war verärgert, weil Anghara bereits zwei Schritte weitergegangen war und Gefahr lief, von der Menge verschlungen zu werden. Kieran wollte seine Hand zurückziehen. »Lass das«, sagte er. »Ich brauche nicht ...«
»Ich sehe Leiden«, murmelte die Greisin scheinbar in Trance, die Augen aufgerissen, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich sehe eine große Liebe, beinahe verloren ... und gewonnene Schlachten ... und dann ... dann ist da eine Krone.«
Kieran riss die Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. Die Alte hatte offenbar vergessen, dass seine Zukunft zwei sessi kostete, und war weitergewandert. Dabei murmelte sie ständig etwas über eine Krone, Schmerzen und schwere Entscheidungen. Kieran blickte ihr noch einen Moment lang nach, die Augen voll Misstrauen und leiser Furcht; dann lief er entschlossen los, um Anghara in der Menge zu suchen.
»Sie hat dich also erwischt«, sagte Anghara und biss in den Pfirsich, den sie mit ihrem neuen Geld an einer Bude gekauft hatte. Sie leckte den Saft auf, der ihr übers Kinn lief. »Du hast sie nicht mal bezahlt? Das war nicht gerade die feine Art, Kieran. Was hat sie gesagt?«
»Ach, dummes Geschwätz«, antwortete Kieran. Zu schnell. Aber der Pfirsich erwies sich als willkommene Ablenkung. Anghara blickte umher und lachte.
»Ich hoffe, irgendwo in der Nähe ist ein Brunnen, sonst müssen wir zurück zu den Kanälen gehen – ehe ich mir nicht die Hände gewaschen habe, kann ich überhaupt nichts anfassen.«
»Weißt du, ob es hier eine Art han gibt?«, fragte Kieran. »Vielleicht sollten wir uns einen Platz suchen, wo wir bis Sonnenuntergang bleiben können – und dort könntest du dich richtig waschen.«
»Bei den Kanälen muss es eine Herberge geben; ich muss mich auch umziehen«, sagte Anghara, die ein Paket mit ihrer gesamten prächtigen Kleidung als an’sen’thar trug – genau wie bei ihrer letzten Heimkehr. Kieran erinnerte das Päckchen an das Kings’s Inn in Calabra, das ihnen solches Unglück gebracht hatte. Daher ließen sie die Idee, eine Herberge zu suchen, schnell wieder fallen. Er verspürte keinerlei Drang, dass Anghara – oder er selbst – herausfanden, wie die Kerker dieses Palastes von innen aussahen.
»Darüber denken wir später nach«, sagte er. »Gehen wir erst mal weiter.«
Es wurde ein langer, heißer Sommertag. Sie aßen geeiste Sahne, eine Erfindung der Küche im Süden, die keiner der beiden zuvor probiert hatte, und schauten zu, wie ein Schiff mit dem Banner der Seeschlange von Mabin an diesem langen goldenen Nachmittag im Hafen andockte. Die Galeere war voll besetzt mit grimmig aussehenden bewaffneten Männern. Die Sonne ließ Lanzen und Rüstungen glänzen.
»Gibt es in diesen Gewässern Piraten?«, fragte Kieran, den der Anblick überraschte.
»Für dieses Schiff vielleicht schon«, antwortete Anghara. »Wahrscheinlich hat es Perlen aus Mabin für den König geladen.«
»Du hättest einen Umweg machen sollen«, neckte er Anghara. »Und nach Mabin segeln, anstatt dieses Silbers aus Kheldrin eine Schiffsladung Perlen an Bord nehmen und dich damit im Palast vorstellen sollen. Ich bin sicher, dann hätte man dir den Eintritt nicht verwehrt.«
»Diese Perlen sind das Lösegeld eines Königs wert«, erklärte Anghara. »Vielleicht sind wir uns darin gleich, noch ehe diese Nacht vorüber ist.«
Plötzlich schienen ihr Bedenken zu kommen, und ironischerweise war es Kieran, der nun ihren Plan verteidigte. Anghara ließ sich leicht überreden. Schließlich verließen sie den Hafen und fanden eine ruhige Herberge, in der Nähe des Hauptkais, wo eine Handvoll Münzen das Schweigen des Wirts und einen Krug bemerkenswert guten Wein kaufte. Davon tranken sie eine Zeit lang. Kieran blieb am Tisch sitzen, während Anghara hinausging, um ein Gewand anzuziehen,
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