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Die Rückkehr der Königin - Roman

Die Rückkehr der Königin - Roman

Titel: Die Rückkehr der Königin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Abend eine Verabredung mit dem Schicksal – andere Ablenkungen waren im Vergleich dazu für sie unsichtbar.
    »Wir werden zur ausgemachten Stunde dort sein«, antwortete Kieran beinahe lachend. »Hab keine solche Eile, in dieses Netz zu gehen. Ich bin mir alles andere als sicher, dass du ungestraft wieder hinaus kannst.«
    Der Schreiber hatte ihnen geholfen, ihren Treffpunkt zu bestimmen – Anghara wollte diesen am Hauptkai haben, um dort in aller Offenheit auf Favrins Boot und ihre Eskorte zu warten, aber Kieran gefiel diese Idee nicht, und auch der Schreiber stimmte ihm unerwartet zu. Von ihm erfuhren sie, dass es noch einen weiteren Kai gab, westlich vom Palastsee – viel diskreter. Er hatte es einen Hintertürchenkai genannt und dabei ein Lächeln hinter seinem Hüsteln und seiner vorgehaltenen braunen Hand verborgen; da war sich Kieran ganz sicher. Dort würde Anghara eine Stunde nach Sonnenuntergang warten, so hatte sie es Favrin mitgeteilt. Jetzt, als sie sich dem Treffpunkt näherten, ging Anghara voraus, Kieran einen Schritt hinter ihr, das Schwert in der Scheide gelockert. Sie sahen ein Boot. Zwei Männer warteten an Bord – ein Ruderer mit leichtem Buckel und einer, dessen Gesicht von einem Hut verborgen war, ähnlich dem des jungen Adligen, dem sie auf der Straße vor dem Freudenhaus begegnet waren. Favrins Bote trug ein mit schwerem Brokat besetztes Gewand über einem rubinroten Wams und ebensolchen Beinkleidern. Trotz der Schatten des Hutes sah man im Licht der einzigen Fackel, die am Bug befestigt war, seine langen blonden Locken.
    »Diese Leute im Süden kleiden sich auffällig gut«, sagte Anghara leise, als sie und Kieran noch außer Hörweite waren. »Ich habe gehört, sie halten gerne Pfaue in ihren Gärten. Langsam begreife ich, warum.«
    Aber Kieran sah hinter die Fassade. »Die Klinge, die er trägt, ist kein Theaterutensil«, sagte er. »Samt und Brokat – alles Schau. Denk daran, wir haben gegen diese Männer im Süden Roisinans gekämpft seit ... seit du und ich in Feors Schulzimmer gesessen und ihre Taktik diskutiert haben. Sie haben uns viel beigebracht, nicht zuletzt, dass man sie respektieren muss. Die Gefahr ist sehr viel größer, wenn du eingelullt wirst, dass es sie gar nicht gibt. Vorsicht – er kommt ans Ufer. Kapuze.«
    Anghara zog sich die Kapuze ins Gesicht. Der Mann hatte das Boot verlassen und stand wartend da, als sie sich näherten. Seine Züge waren von dem breiten Rand des samtenen Schlapphuts verdeckt.
    »Ich bin Moran.« Er begrüßte sie zuerst, als sie wenige Schritte vor ihm stehenblieben. »Ich bin Prinz Favrins Haushofmeister. Seid Ihr diejenige, die ihn im Schutz des königlichen Siegels Roisinans aufsuchen will?«
    Kieran nickte schweigend.
    Moran ehrte sie mit knapper höfischer Verbeugung. »Mein Herr wird Euch empfangen«, sagte er. »Er hat mich gebeten, Euch unter seinem Schutz im Weißen Palast Algiras willkommen zu heißen. Das Boot wartet, um Euch dorthin zu bringen.«
    Kieran wusste, dass Anghara unter ihrer Kapuze lächelte. Er brauchte kein Zweites Gesicht, um das erfreute Strahlen – Ich habe es dir doch gesagt! – in ihren grauen Augen zu spüren, die auf ihn gerichtet waren. »Wir kommen im Schutz des Wortes deines Herrn«, sagte Kieran.
    Moran wartete, bis sie ins Boot geklettert waren, dann folgte er ihnen und nickte dem Ruderer zu. Dieser hatte geduldig das höfische Protokoll abgewartet. Jetzt beugte er sich vornüber und begann zu rudern. Beinahe lautlos glitt das Boot über das stille Wasser.
    Stumm bedeutete Moran den mysteriösen nächtlichen Besuchern seines Herrn, ihm zu folgen, als sie die andere Seite erreichten. Sie waren hier unter Favrins geschworenem Schutz, dennoch blickte Kieran misstrauisch um sich, als sie über eine offene Rasenfläche gingen und danach in eine dunkle Allee aus hohen Büschen mit süß duftenden weißen Blüten, deren Farbe so rein war, dass sie in der Dunkelheit zu leuchten schienen. Offenbar hatte Favrin Freude an Geheimniskrämerei – was nicht völlig unerwartet kam. Er ließ seine Gäste durch kleine und geheime Türen zu sich bringen, nicht durch den hellen bewachten Haupteingang.
    »Hier entlang«, sagte Moran mit gedämpfter Stimme und öffnete eine schmale Tür unter einem Flechtwerk, auf dem Kletterrosen wucherten.
    Sie betraten einen mit Fliesen geschmückten Korridor. Frische Fackeln brannten in eisernen Haltern, die in regelmäßigen Abständen in der Wand steckten. Die Stiefel der Männer

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