Die Rückkehr der Königin - Roman
riefen ein schwaches Echo auf den Fliesen hervor, aber niemand kreuzte ihren Weg, als sie nach diesem Korridor noch einen weiteren durchschritten. Er war breiter und prächtiger, an den Wänden hingen silberne Leuchter, und weiche Teppiche dämpften ihre Schritte. Moran blickte den verlassenen Korridor auf und ab, dann überquerte er ihn und stieg eine Treppe mit einem kunstvoll geschnitzten hölzernen Geländer aus Seeungeheuern hinauf. Dann kam wieder ein langer Korridor. An der dritten Tür blieb er stehen, öffnete sie und bedeutete ihnen einzutreten.
Sie befanden sich in einem kleinen Vorraum, mit hellen Holzpaneelen und karg eingerichtet. Ein niedriger Tisch und zwei Holzstühle. Die Schlichtheit dieses Raums, hier im Herzen der Gemächer des Prinzen, wies darauf ihn, dass er nicht zum Vergnügen eingerichtet sondern wahrscheinlich eine Wachstube war. Sie war leer, jedenfalls sah es so aus; aber Moran hielt dennoch an.
»Ich muss Euch bitten, Eure Waffen hier abzulegen«, sagte er immer noch untadelig korrekt. »Hier sind sie absolut sicher.«
Er musste ihnen nicht befehlen. Sie waren in einem Königspalast, und selbst freundliche Bitten wurden – wenn nötig – mit Gewalt durchgesetzt. Kieran hatte etwas in der Art erwartet, ein ritualisiertes Ablegen der Waffen, ehe man vor ein Mitglied der königlichen Familie trat. Trotzdem gefiel ihm die Idee ganz und gar nicht. Zögernd legte er sein Schwert und den weißen Gurt aus ki’thar-Leder aus Kheldrin ab und legte beides samt dem Dolch auf den Tisch. Moran blickte mit einer Mischung aus Zurückhaltung und Unerbittlichkeit auf Angharas verhüllte Gestalt.
»Nicht bewaffnet«, erklärte Kieran schroff. Moran zauderte, beschloss dann aber, es unbesehen zu glauben. Das war auch gut so, dachte Kieran, denn ansonsten wäre ihr Täuschungsmanöver gleich hier aufgeflogen.
Und ein Täuschungsmanöver war es, denn der Brief, den Anghara geschickt hatte, gab abgesehen von dem königlichen Siegel, um Favrins Appetit zu wecken, keinerlei Hinweis auf die Identität der Besucher des Prinzen – lediglich, dass sie mit einer Botschaft aus Roisinan kamen und wahrscheinlich von hoher Geburt waren. Als Moran sie in den Raum geleitete, wo Prinz Favrin Rashid sie erwartete, hatte Kieran die Genugtuung zu sehen, wie Favrins Miene sich veränderte, als Anghara eintrat, den Umhang zurückschlug und damit ihr rotgoldenes Haar und das goldene Kheldrini-Gewand enthüllte.
»Euer Gnaden«, sagte Kieran. »Darf ich Euch Anghara Kir Hama vorstellen, die rechtmäßige Königin von Roisinan.«
13
Favrin wusste Bescheid in dem Moment, als Anghara sein Gemach betrat – alle möglichen Männer hätten sich mit diesem Siegel bei ihm Zutritt verschaffen können, aber nur eine einzige Frau. Die plötzliche Verblüffung war so schnell verflogen wie sie gekommen war. Zurück blieben Bewunderung und echtes Staunen.
Favrin fasste sich und gestattete sich ein leichtes Lächeln, als er sich tief nach höfischer Art im Süden verneigte.
»Ihr ehrt mein Haus«, sagte er. Die Worte hätten ein Scherz sein können. Aber so waren sie nicht gemeint; die folgenden dagegen schon – und das war gefährlich. »Als Sif Kir Hama den Thron unter dem Berge bestieg, gab man uns zu verstehen, dass dies über die Leichen Eures Vaters, Eurer Mutter ... und Euer eigenen geschah. Ich hatte immer Zweifel, was den Sarkophag im Mausoleum in Miranei betrifft, auf dem Euer Name steht. Es ist äußerst erfreulich, dass sich diese bestätigt haben.«
»Die Särge meines Vaters und meiner Mutter sind echt genug«, sagte Anghara. Ihre Augen waren hart wie grauer Kies. Es war unklug von Favrin gewesen, den Roten Dynan zu erwähnen. Angharas Vater war schließlich durch einen Pfeil gestorben, der auf Rashins Befehl abgeschossen worden war.
Favrin überbrückte schnell den peinlichen Moment. »Aber ich vergesse ganz meine Pflichten. Darf ich Euch ein Glas Wein anbieten? Er stammt aus meinen eigenen Weingärten, ein Jahrgang, auf den ich – wie ich denke – zu Recht stolz bin.«
»Danke«, antwortete Anghara nur.
Favrin wandte sich mit seiner typisch südlichen Höflichkeit auch an Kieran. »Und für Euch, Mylord?«
»Nein«, antwortete Kieran. »Danke.«
Das Angebot war eine Art Angeln gewesen, mit dem Wein als Köder, aber Kieran schluckte ihn nicht und stellte sich nicht vor, sodass Favrin weiterhin bezüglich seiner Identität im Dunkeln blieb. Doch Favrin steckte diese geschickte Ablehnung seines Versuchs
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