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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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von ein paar Sekunden - in solchen Momenten arbeitet das Gehirn normalerweise ungewöhnlich schnell und exakt.
    Als der Unbekannte die geschlossenen Augen seines Patienten sah, blieb er zögernd stehen. Als sich diese aber öffneten, schrie er kurz freudig auf, kam schnell näher und beugte sich über die Liege. Sein braun gebranntes Gesicht erblasste ein wenig. Er sah dem Patienten fast eine Minute lang aufmerksam in die dunklen und tiefen Augen, in denen eine unausgesprochene Frage stand. Der Unbekannte verstand sie - er beugte sich noch tiefer und fragte auf Russisch, aber mit einem merkwürdigen Akzent. »Können Sie mich sehen?«
    Die Lippen des Kranken zuckten und ein kaum hörbarer Laut drang nach außen.
    »Sie können mich sehen, aber Sie können nicht antworten. Was Sie aber können, ist Ihre Augenlider bewegen. Schließen Sie die Augen, wenn Sie mich sehen.«
    Die Lider des Kranken schlossen sich für einen Augenblick.
    Der Unbekannte richtete sich auf. Sein Gesicht wurde noch blasser, seine Hände ballten sich krampfhaft zu Fäusten, als versuchte er, die wachsende Anspannung zu bändigen. Er schnaufte ein paar Minuten lang, dann, offenbar wieder etwas beruhigt, beugte er sich wieder über den Patienten. »Ich stelle Ihnen jetzt ein paar Fragen«, sagte er. Sogar der Klang seiner Stimme unterschied sich von all den Stimmen, die der Kranke in seinem Leben gehört hatte. »Sie beantworten sie mit Ihren Augen. Wenn Sie »ja« sagen möchten, blinzeln Sie einmal, wenn »nein«, zweimal. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja«, antworteten die Augen.
    »Ist ihr Sehvermögen in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Und ihr Gehör?«
    »Ja.«
    »Können Sie ihre Zunge bewegen?«
    »Nein.«
    »Können Sie ihre Arme bewegen?«
    »Nein.«
    »Und ihre Beine?« »Nein.«
    »Haben Sie irgendwelche Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Sind Sie hungrig?«
    »Nein.«
    »Haben Sie Durst?«
    »Nein.«
    »Ist Ihnen irgendwie unbequem?«
    »Nein.«
    Es entstand eine kleine Pause. Der Unbekannte runzelte die Stirn und dachte nach. Der Liegende sah ihn an und erwartete noch mehr Fragen oder vielleicht sogar Erklärungen. Die Unmöglichkeit, selbst eine Frage zu stellen, quälte ihn in diesem Augenblick mehr als alles andere.
    »Ist Ihr Gedächtnis zurückgekehrt?«, fragte der Unbekannte, wobei er sich wieder über die Liege beugte, als würde er sich nicht auf das Gehör seines Patienten verlassen. »Erinnern Sie sich an Ihr Leben?«
    »Ja.«
    »Klar und deutlich?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie denn, wo Sie sich befinden?«
    Endlich wurde die Frage gestellt, die der Kranke mit solcher Ungeduld erwartet hatte. »Nein ... nein ... nein!« Das schnelle Blinzeln sagte mehr als Worte.
    »Sie verstehen also nicht, wo Sie sich befinden und weshalb. Wollen Sie es erfahren?«
    »Ja.«
    »Das werden Sie, aber nicht jetzt, sondern etwas später. Jetzt kann ich es Ihnen noch nicht sagen, weil es Ihnen schaden würde. Sie sind bei Freunden. Sie mögen Sie und warten darauf, Sie kennen zu lernen. Haben Sie noch ein wenig Geduld - bald wird Ihnen alles klar werden. Haben Sie keine Angst. Denken Sie nicht an die merkwürdigen Sachen, die mit Ihnen geschehen und geschehen werden. Mit der Zeit erfahren Sie alles, was Sie wissen möchten. Sie können sehen und hören, Sie können sich an alles erinnern, aber Ihr Gehirn hat sich noch nicht vollständig von den Nachwirkungen der langen Bewusstlosigkeit erholt. Darum können Sie sich noch nicht bewegen. Das wird aber nicht mehr lange dauern. Wir haben nicht gewusst, dass es so kommen würde, und es tut mir sehr Leid, dass Ihr Bewusstsein vor dem Ende Ihrer Behandlung zurückgekehrt ist. Das wird Ihnen einige Unannehmlichkeiten bereiten, aber dagegen kann man leider nichts mehr tun. Hoffen wir, dass es bald aufhört. Sie kommen schnell wieder zu sich und werden nach kurzer Zeit wieder ganz gesund. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ja.«
    »Jetzt gehe ich wieder. Man darf den Prozess nicht lange anhalten, und wenn ich hier bin, muss man es tun. Das, was für Sie heilend ist, ist schädlich für mich. Momentan behandeln wir Sie mit Wellenstrahlung - also wundern Sie sich nicht, wenn sich die Farbe der Wände und des Bodens ändert. Die Beleuchtung wechselt mit der nötigen Abfolge elektromagnetischer Wellen. Es wäre am besten, wenn Sie wieder einschliefen. Ich komme wieder zu Ihnen, wenn die nötige Zeit vergangen ist.« Seine Hand mit ungewöhnlich langen, dünnen und biegsamen Fingern, eine Hand, die der Liegende noch bei keinem

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