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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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zu den Zuhörern um und versuchte, den gemachten Eindruck in ihren Gesichtern zu lesen. Er dachte verärgert daran, dass er nicht über die Gabe der Redegewandtheit verfügte, die jetzt so nützlich gewesen wäre. Er selbst war davon überzeugt, dass er Recht hatte. Aber die anderen mussten ebenfalls überzeugt werden - und vor allem diejenigen, die jetzt vor ihm waren. Wie sollte er es sonst tun?
    Muncius begegnete dem Blick seines Sohnes und runzelte die Stirn. Seine Finger trommelten noch schneller auf der Armlehne. Die eindeutige Missbilligung, die in seinem Gesicht stand, machte Lucius nur noch trauriger. »Du, Vater«, sagte er voller Trauer, »stehst an der Spitze derer, die uns zum Aufhören drängen. Als ich damals den ersten Versucht einer Zellwiederbelebung vorgeschlagen habe, bist du auch schon gegen mich gewesen. Aber jetzt kannst auch du nicht anders als anzuerkennen, dass dieser Versuch ein großer Sieg der Wissenschaft gewesen ist.«
    Muncius warf voller Stolz den Kopf hoch - es schien fast, als würde er gleich mit einer Grobheit antworten. Er hielt seinen aufgeflammten Zorn aber zurück und sagte fast ruhig: »Ich habe nur das gesagt, was ich auch gedacht habe. Ich gehe immer von ethischen und moralischen Prinzipien aus. Aber die Mehrheit hatte zu meinem großen Bedauern einen anderen Standpunkt. Und dann blieb uns, die in der Minderheit waren, nichts anderes übrig als diesen Standpunkt ebenfalls anzuerkennen. Es ist auch nicht mehr nötig, sich zu erinnern, was passiert ist. Ich freue mich wirklich über deinen Erfolg - aber jetzt geht es um etwas völlig anderes. Du sagst, und es ist zweifellos richtig, dass es euch gelungen ist, das vorherige Aussehen des Körpers wiederherzustellen und sogar den Blutkreislauf wieder zu starten, was selbstverständlich ein herausragender wissenschaftlicher Sieg ist. In diesem Punkt hast du sicherlich Recht. Aber, trotz aller eurer Erfolge ist und bleibt es ein Leichnam. Und es erscheint mir — und nicht nur mir, sondern auch vielen anderen — tatsächlich grausam und unnötig, diesem Leichnam sein Leben wieder zu geben. Das, was ihr bisher erreicht habt, genügt vollkommen - und wenn ihr die Wiederbelebung bis zum Ende führen müsst, dann könnt ihr das mit jemand anderem machen, von dem ihr vorher sein Einverständnis geholt habt. Ich bin als erster bereit, meinen Körper zu eurer Verfügung zu stellen, wenn die Stunde meines Todes geschlagen hat - und sie ist gar nicht mehr so weit entfernt. Aber in diesem konkreten Fall könnt ihr kein solches Einverständnis bekommen. Ein Mensch, wer er auch immer sein mag, was er auch immer für ein großer Wissenschaftler ist, hat kein Recht, über den Körper eines anderen Menschen zu verfügen, ohne seine Zustimmung bekommen zu haben. Ich denke, das ist völlig klar. Über sich verfügen kann nur der Mensch selbst — oder die gesamte Gesellschaft.«
    Während er sprach, stampfte der braun gebrannte »Mongole« immer wieder ungeduldig mit dem Fuß auf. Als Muncius verstummte und sich mit geschlossenen Augen im Sessel zurück lehnte, als wolle er keine Einwände mehr hören, sah der »Mongole« Lucius voller Mitgefühl an und sagte mit schneidender Stimme: »Muncius hält diesen Versuch für unnötig, grausam und, wie ich seinen Worten entnehmen konnte, für unethisch. Habe ich Sie richtig verstanden, Muncius?«
    »Absolut«, erwiderte Muncius, ohne die Augen zu öffnen.
    »Aber warum? Von hohen Prinzipien der Freiheit zu sprechen ist sehr schön, aber in diesem Fall ist es völlig unlogisch. Muncius schlägt vor, diesen Versuch mit einem anderen, natürlich gestorbenen Menschen durchzuführen, und zwar nur nach seiner Zustimmung. Aber in den heutigen Tagen sterben die Menschen nicht jung. Also müssten Lucius, Io und ihre Kameraden diesen ersten Versuch in der Geschichte der Wiederbelebung mit dem Körper eines Greises durchführen. Und das wäre in der Tat ein unnötiger Versuch, sogar grausam, wenn Sie es so wollen. Genau das war auch der Grund, warum Wladilen, den Lucius erwähnte, diesen Versuch nicht durchgeführt hat und nicht weil er kein Versuchsobjekt zur Verfügung hatte. Ein Objekt hätte er mit Sicherheit gefunden.
    Aber zurück zum Thema. Nehmen wir mal an, jemand wäre infolge eines unglücklichen Zufalls jung gestorben. Dann könnten wir seine Zustimmung wohl kaum bekommen — und zwar genau wegen dieses unglücklichen Zufalls, genauer gesagt, wegen der Plötzlichkeit des Todes. Für Lucius und Io ist

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