Die Rueckkehr der Phaetonen
von Wolgin unbemerkt. Er sah nichts mehr. Es zog ihn mit unbändiger Kraft vorwärts — er wollte endlich ins Freie dieser neuen Welt gelangen.
Eine weitere Tür öffnete sich vor ihm. Das strahlende Blau eines klaren Tages war blendend schön.
Zum ersten Mal nach tausendneunhundert Jahren sah Wolgin wieder den Himmel und die Scheibe der Sonne, die von diesem Himmel herunter brannte.
Teil 2 - Zeitgenossen
Kapitel 1
1
Die Erde wechselt ihr Antlitz. Doch das Meer tut es nie! Es bleibt genau so, wie es zu allen Zeiten und Epochen gewesen ist. Beständig und unveränderlich war es bei der gesamten Geschichte der Menschheit dabei, die seine Ufer besiedelte. Es hat die flachen Galeeren der Phönizier gesehen, die später durch die griechischen abgelöst wurden. Es blieb dasselbe während all der Jahrhunderte römischer Herrschaft, es sah die mauretanische Kultur und die Kreuzzüge. Es sah den Fall des Byzantinischen Imperiums, wiegte die siegreichen türkischen Schiffe auf seiner Brust und verschlang diese gleichgültig bei der Schlacht um Lepanto. Es sah die Schlachten bei Abukir und Trafalgar und begrub sowohl englische wie auch französische Schiffe in seinen dunklen Tiefen. Die stählernen Kolosse der Panzerschiffe aus dem zwanzigsten Jahrhundert verschwanden genauso leicht in seinen Wellen wie die hölzernen Schiffe der Römer. Jahr für Jahr, Epoche für Epoche forderte das Meer einen hohen Tribut von der Menschheit - einen Tribut von Schiffen, Menschen, Blut...
Doch das Leben schritt immer weiter vorwärts, und der Mensch besiegte die Elemente. Kein Blutzoll war mehr nötig - die Menschen wurden immer seltener zu Opfern des Meeres. Die gigantischen Kreuzfahrtschiffe lachten über die wütenden Wellen.
Im dritten Jahrhundert der kommunistischen Ära wurde das Meer endgültig von dem Menschen verlassen. Das freie und grenzenlose Reich der Luft wurde zu ihrem einzigen Verbindungsweg. Und nun war das Meer seit eineinhalbtausend Jahren verlassen. Nur manchmal glitten zierliche Jachten der Segelliebhaber über seine Oberfläche oder vielleicht ein Aref, der dem Wunsch seines Piloten entsprechend, auf der Wasseroberfläche aufsetzte und darüber glitt, wobei er an eine furchtbare Waffe der Vergangenheit erinnerte, an einen Torpedo. Weg waren die riesigen Schiffe, vergessen war der seemännische Beruf und selbst das Wort »Seemann« wurde unbekannt.
Doch das Meer selbst blieb immer noch dasselbe ...
Die ewige Brandung, die unablässig dröhnte. Die türkisfarbenen Wellen, die sich eine nach der anderen dem Ufer näherten, höher wurden, sich mit einem Kamm aus weißer Gischt krönten und mit verhallendem Grollen auf die Kieselsteine des Strands stürzten, um dann wieder zurück zu rollen und Platz für die nächsten zu lassen.
Eine Welle nach der anderen!
Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende!
>So war es, so ist es und so wird es bleiben ...<, dachte Wolgin.
Er saß in etwas, das an eine Strandliege erinnerte, auf der großen Terrasse, die von wilden grünen Reben überwuchert war, und sah sich das unermüdliche Schauspiel der Brandung an, während das Buch, das er vorher gelesen hatte, nun auf seinen Schoß lag. Die Brandung war genau dieselbe wie im zwanzigsten Jahrhundert - nur sie war gleich geblieben und noch der Himmel über dem Kopf. Alles andere hatte sich verändert.
Das Haus und die Terrasse waren aus einem Material gebaut, das weder Holz noch Stein war. Die Möbel und alltäglichen Gebrauchsgegenstände hatten nur ihren Zweck behalten können, nicht aber ihr Aussehen. Die Pflanzen, die im Garten wuchsen, waren auch irgendwie anders geworden - sie waren größer und sahen viel üppiger aus. Das Buch, das er gerade las, sah genauso aus wie die Bücher aus seiner Jugend, war aber in einer Sprache verfasst, die früher nicht existiert hatte. Alles hatte sich verändert, alles war in den neunzehnhundert Jahren, die er in seinem Grab gelegen hatte, anders geworden.
Nur das Meer, die Brandung und der Himmel waren noch dieselben ...
Wolgin sah sich die riesige Wasserfläche stundenlang an und seine Gedanken schweiften in die Vergangenheit, die für ihn so nah und fern war. Vor seinem inneren Blick erschienen wieder die Gesichter all derer, die jetzt tot waren, alte Städte und Dörfer, Straßen und Brücken, Züge und Dampfschiffe, all die vielfältige Technik seines Jahrhunderts - vielleicht armselig und primitiv, wenn man sie vom heutigen Standpunkt aus betrachtete, aber dennoch geliebt und geachtet. Die
Weitere Kostenlose Bücher