Die Rueckkehr der Templer - Roman
ein gefährliches Geheimnis verbarg, im Grunde genommen absurd erschien, verlieh der Sache einen besonderen Reiz. Plötzlich wurde ihm unangenehm bewusst, dass er sich in seinem fragwürdigen Verlangen nach dieser Frau kaum von Melisende, der unbeugsamen, in die Jahre gekommenen Frankenkönigin, unterschied.
Nachdem er unter ihrem Schutz zum Mann herangereift war, hatte die Königin ihn nach seiner Ausbildung zum Nizâri in ihr Gemach gelockt, weil sie es als reizvoll empfand, einen skrupellosen Assassinen zu ihrem Geliebten zu machen, den bis zu jenem Tag noch keine andere Frau berührt hatte.
Als sie ihm die Beweggründe für ihr Zusammensein nach einiger Zeit gestanden hatte, war es zwischen ihnen zu einem heftigen Streit gekommen.
Ja, es traf zu, dass er seit seinem Schwur, den er auf den Orden der |61| Nizâri geleistet hatte, die Bereitschaft in sich trug, auf heimtückische Weise zu töten, jedoch nur, wenn es das Überleben seiner Gemeinschaft verlangte. Nicht zum Spaß, nicht zum Ruhm und schon gar nicht, um die Geilheit einer in die Jahre gekommenen Königin zu steigern. Später, nachdem Melisende sich bei ihm entschuldigt und ihre Meinung über die Assassinen zumindest ihm gegenüber geändert hatte, war er bereit gewesen, ihrem Verlangen weiterhin nachzugeben, zumal sie trotz ihres Alters eine grazile Schönheit besaß. Wenn er nun dieses Mädchen betrachtete, eine reizvolle Mischung aus körperlicher Anziehungskraft und tödlicher Gefahr, konnte er Melisendes Vorlieben beinahe verstehen.
»Wir wären dir zu großem Dank verpflichtet, wenn du für uns so bald wie möglich einen Kontakt zum Oberhaupt der Templer herstellen könntest.« Lyn holte ihn aus seinen Gedanken zurück. Ihre Stimme war reinstes Kristall und ihr betörender Blick so unglaublich verlockend, dass sein Entschluss, ihr Herz zu erobern, noch drängender wurde.
Auch sie sprach reinstes Arabisch. Bei aller Begeisterung für dieses Juwel mahnte sein Instinkt ihn zur Vorsicht. Mongolinnen, die ein akzentfreies Arabisch sprachen und sich gleichzeitig als Christinnen ausgaben, erschienen ihm äußerst suspekt. Dass hier etwas nicht stimmte, witterte ein Hund auf drei Tagesreisen im Voraus. Khaled musste herausfinden, was es war, wenn er die Königin und seine eigenen Leute vor einem todbringenden Geheimnis schützen wollte. Doch wie sollte er es anstellen, ohne dass die beiden Schönheiten ihm auf die Schliche kamen und im Zweifel ihn und die gesamte Karawane vernichteten? Doch was wäre, wenn er sie dazu brachte, sich ihm anzuvertrauen, und er ihre besondere Kriegskunst einzig für die Interessen der Nizâri gewinnen konnte? Der kurdische Emir Alī bin Wafā al Masyāf, Oberhaupt der syrischen Nizâri und gleichzeitig Verbündeter der fränkischen Könige und Fürsten, würde ihn lobpreisen, wenn er davon erfuhr, und ihn womöglich als Verbindungsoffizier aus Jerusalem abziehen lassen, um ihn als seinen persönlichen Berater einzuberufen. Khaled malte sich bereits aus, wie es sein würde, wenn er die Fähigkeiten der beiden Frauen seinen anderen Brüdern zugänglich machte. Einem Sieg – gegen wen auch immer – würde dann nichts mehr im Wege stehen.
Fieberhaft überlegte er, wie er es beginnen sollte. Als viel geschmähter |62| Assassine war er dazu berufen, seine Feinde zunächst in freundlicher Sicherheit zu wiegen, bevor er zum Angriff überging. Wie eine Schlange, die sich an ihr Opfer heranschlich, bevor sie den tödlichen Biss ausführte. Khaled musste eine möglichst unauffällige List erfinden, um ihre Zungen zu lockern und ihre wahren Absichten zu ergründen.
»Im Übrigen gebührt euch mein Dank«, fügte er höflich hinzu und verbeugte sich leicht, wobei er Lyns Finger ergriff, um einen Kuss auf ihren Handrücken zu hauchen. Er musste in sich hineinlächeln, als er bemerkte, wie sie erschauerte, wie sein Blick sie offensichtlich betörte und sie vor lauter Verwunderung nicht fähig war, etwas zu erwidern.
»Dank?« Rona mischte sich ein. Sie ahnte wohl, worauf er hinauswollte.
»Dafür, dass ihr unsere Karawane vor dem Untergang bewahrt habt.«
»Untergang?« Sie versuchte sich weiter in unschuldiger Ahnungslosigkeit.
Khaled beugte sich zu ihr hinab und grub seine Finger in ihren Oberarm. »Die fatimidischen Reiterhorden hätten uns um Haaresbreite vernichtet«, flüsterte er heiser. »Bei Allah, du und deine Schwester habt uns Glück gebracht, weil sie bei eurem Anblick so plötzlich geflohen sind.« Er ließ von ihr
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