Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
Stoff zwischen seinem Daumen und Zeigefinger. „Ich habe ihm gesagt, dass ich das gerne tun kann. Ich habe ihm erzählt, dass Sie und ich schon gute Freunde sind oder es bald sein werden.“
Er lachte und der hohe, schrille Ton jagte Kathryn einen Schauer über den ganzen Körper.
Der Rancharbeiter war schmächtig gebaut, nicht sehr groß und eher dürr als muskulös. Er strahlte eindeutig etwas Düsteres aus. Genauso wie am ersten Tag, an dem sie ihn mit Matthew Taylor auf der Ranch gesehen hatte, kurz nachdem Larson verschwunden war. Seine Stimme – vielleicht war es sein Akzent, der nach dem tiefen Süden klang – und die Art, wie er sprach, waren unangenehm und bedrohlich. Er redete, als seien sie die besten Freunde, die zu einem Sommerspaziergang aufbrechen wollten.
Kathryn nahm ihren Mut zusammen, riss ihm das Unterhemd aus den Fingern und legte es in die Truhe. „Ich kann selbst packen, danke. Und ich verlasse noch heute Casaroja, genau wie Mr MacGregor verlangt hat.“ Sie schaute aus dem Fenster und suchte Jacob.
Der Mann griff hinter sich und schloss die Schlafzimmertür. „Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs Jennings, oder darf ich Kathryn sagen?“ Seine Miene verriet, dass ihn ihre Antwort nicht interessierte. „Wir sind ganz allein auf der Ranch, nur Sie und ich. Alle anderen sind in der Stadt. Wissen Sie, als ich Sie das erste Mal sah, wie Sie lächelten …“ Er trat einen Schritt näher. „… wusste ich sofort, dass Sie eine Dame sind. Und ich war in meinem Leben noch nicht mit vielen Damen zusammen.“
Irgendwie fiel es Kathryn nicht schwer, das zu glauben. Er versperrte ihr den Weg zur Tür. Ihr blieb also keine andere Wahl, als an ihrem Platz stehen zu bleiben. Die stinkende Mischung aus mehrere Tage altem Schweiß und Alkohol stieg in ihre Nase.
„Ich dachte, wir könnten vielleicht gute Freunde sein, aber …“ Sein Blick wanderte zu ihrem ungeborenen Kind. „Wie ich sehe, hatten Sie schon einen Freund, bevor ich nett zu Ihnen sein konnte, und das so bald, nachdem Ihr Mann so dumm war, sich umbringen zu lassen.“ Er lachte wieder und schüttelte den Kopf, bevor er leise mit der Zunge schnalzte. „Dieser Sturm an Weihnachten war ganz schön heftig, was? In einem solchen Sturm kann ein Mann schon einmal die Orientierung verlieren.“ Er drehte den linken Zeigefinger neben seinem Kopf und ahmte das Pfeifen des Windes nach. „Er dreht einen im Kreis, bis man nicht mehr weiß, wo man ist oder wo man herkommt.“
Kathryn konnte ihn nur entsetzt anstarren, dann fühlte sie, wie ihre Beine unter ihr nachgaben. Sie setzte sich mit letzter Kraft aufs Bett. Bruchstücke aus verschiedenen Gesprächen purzelten in ihrem Kopf durcheinander, und sie bemühte sich, einen Sinn darin zu erkennen. „In einem solchen Sturm kann ein Mann leicht die Orientierung verlieren …“ „Dieser Mann starb nicht wegen der Kälte. Wenigstens war das nicht die einzige Todesursache … Auf ihren Mann wurde vor seinem Tod geschossen. Mitten in die Brust.“
Sie sah den Rancharbeiter an und zwang ihre Stimme, ruhig zu bleiben. „Was soll das heißen?“ Die Frage kam ängstlich über ihre Lippen.
Er beugte sich vor. Sein warmer Atem stank nach Whiskey. „Das soll gar nichts heißen, Madam. Nur dass manchmal eben Unfälle passieren. Das ist alles.“
Aber seine Miene und das leichte Kräuseln seines Mundes verstand Kathryn als stummes Geständnis. Etwas in ihr wütete und wollte ihn schlagen, während sie sich gleichzeitig am liebsten hinlegen und resigniert sterben wollte. Sie schaute dem Mörder ihres Mannes in die Augen und wollte den Grund wissen, aber die Kälte in seinen Augen war abstoßend. Larson hatte keine Feinde gehabt, es hatte keinen Grund gegeben, dass irgendjemand ihn …
Ihr Blick fiel auf die Bibel, die sie in die Truhe gelegt hatte. Berklyn Stockholders. Larsons Brief von dieser Firma schaute zwischen den Seiten heraus und war auf das gleiche Briefpapier geschrieben, das sie damals in MacGregors Büro gesehen hatte. Sie hatte Miss Stacey gestern bei ihrem Besuch in der Bank danach fragen wollen, hatte es aber dann wieder vergessen.
Ein Puzzleteil fügte sich plötzlich in das Bild ein. „Besitzt Mr MacGregor eine Firma mit dem Namen Berklyn Stockholders ?“
In seine kalten Augen zog Bewunderung. „Sehr gut, Mrs Jennings. Ich habe Mr MacGregor gesagt, dass er keinen Grund hat, sich Ihretwegen Sorgen zu machen, aber anscheinend hatte er doch recht.“ Er zog sie vom Bett. „Wir
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