Die Rueckkehr des Henry Smart
erzählt, was?
– Ich hatte nicht viel zu erzählen. Sie haben gedroht ...
– Scheiß drauf!
Fluchen war normalerweise nicht sein Ding.
– Komm mir nicht mit deinen Vorwänden, sagte er. – Von jetzt ab kriegst du deine Informationen von mir. Ich werde dir sagen, was du ihnen erzählen kannst. Du wirst ihnen sonst nichts erzählen, aus keiner anderen Quelle. Klar?
– Yeah.
– Niemandem.
Ich versuchte ihn anzusehen, aber es war nicht genug Platz.
– Du denunzierst ja auch. Durch mich.
– Aye.
– Verdammt noch mal ...
– Dahinter steckt noch viel mehr, sagte er. – Sieh zu, dass du mit dem klarkommst, was ich dir gesagt habe. Du erzählst ihnen genau das, was ich dir sage, und nicht mehr. Kapiert?
– Ich habe sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
– Das kommt noch, sagte er, – und dann wirst du tun, was ich dir sage.
– Yeah.
– Warum?
– Weil du mich in der Hand hast, sagte ich.
– Aye. Hier laufen zwei Spiele, Henry. Das eine, das wir beide miteinander spielen. Und das andere. Dieses Gespräch hat nie stattgefunden.
– Da bin ich dir voraus.
– Gut.
– Warum sprechen Sie nicht mit ihr?
– Was?
– Sie sprechen nie mit Missis O’Kelly, sagte die neue Krankenschwester.
– Sie würde mich nicht hören, sagte ich.
Aber der Gedanke an sich leuchtete mir ein, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich in all den Jahren, in denen ich neben ihr gesessen und darauf gewartet hatte, dass sie richtig starb, nie mit ihr gesprochen hatte.
– Man kann nie wissen, sagte sie. – Käme auf einen Versuch an.
Ich wartete, bis sie weg war. Sie hatte den Infusionsbeutel ausgewechselt.
Das Zimmer war leer.
– Wie geht’s? fragte ich.
Komisch klang das – ich sprach ins Nichts. Ich nahm ihre Hand. Die blieb leblos in meiner liegen.
– Wie geht’s?
Ich konnte keine Fragen stellen, das war nicht fair.
Ich stand auf. Ich beugte mich vor und legte meine Hände rechts und links neben ihren Kopf. Das offene Auge sah ich nicht an. Ich versuchte sie so zu drehen, dass sie mit dem Gesicht zu mir lag, wenn ich wieder saß. Aber sie rührte sich nicht. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich ihr Gesicht berührt. Unter dem Holz war Wärme, ich sah und fühlte die Frau.
Ich rückte den Stuhl ganz nah ans Bett und legte meinen Mund an ihr Ohr.
– Ich bin ein Spitzel, sagte ich. – Unglaublich, was?
Das Zimmer war verwanzt – oder war verwanzt gewesen. Die G-Men hatten zitiert, was Saoirse zu mir gesagt hatte. Das war zwei oder drei Jahre her, und ich hatte die beiden seither nicht mehr gesehen. Nahmen sie die Wanzen mit, wenn sie fertig waren? Oder stellten sie die verdammten Dinger nur ab? Ich hatte keinen Schimmer.
Ich hustete und horchte dem Huster nach. Kein Summen, kein Echo.
– Ein Spitzel, sagte ich. – Also wenn dich das nicht aufweckt ...
Bescheuert, dieses Gerede.
Ich lehnte mich zurück, um sie besser anschauen zu können.
– Es hat ein paar Tage nicht geregnet, sagte ich. – Als ich an der Bushaltestelle stand, ist sogar die Sonne rausgekommen. Die bauen hier ein Einkaufszentrum, du würdest den Ort nicht wiedererkennen. Mit allem Drum und Dran, hat die Frau an der Bushaltestelle gesagt. Sogar mit Wein- und Schnapsverkauf. Sie war an die zwanzig Jahre jünger als du. Nicht schlecht drauf. Mantel passend zum Einkaufswagen. Lässt sich nicht gehen.
Ich sah in ihr Gesicht, auf ihren Mundwinkel, suchte nach einem Zucken, einem Erröten, aber die blaurote Haut konnte nicht erröten, und nichts zuckte.
Trotzdem – ich hatte das Gefühl, dass sie zuhörte. Ich wünschte mir, sie würde sich aufrichten, mich packen, mir die Augen auskratzen. Ich sah ihre Nägel an. Sie waren ordentlich geschnitten. Die Haare waren sauber und schimmerten silbrig.
– Ich bin ein Scheißspitzel, sagte ich. – Ein Superarschloch. Erinnerst du dich an das Fahrrad?
Ich beugte mich vor und küsste sie aufs Ohr.
– Warum machst du das?
Sie hörte jedes Wort.
– Steh auf, sagte ich.
Aber sie blieb liegen.
– Ich hab eine Nachricht für dich, sagte der Mann mit dem Bart.
– Sie haben sich nicht gemeldet.
– Noch nicht.
– In Ordnung.
– Komm nach draußen, sagte er.
Langsam drang der Tag ins Zimmer. Er ging zur Hintertür und schloss sie auf. Ein Schwall frischer Luft kam herein und gleich darauf der Gestank aus der Mülltonne, die ich in der Woche davor nicht rausgestellt hatte. Sie war zu schwer, ich konnte sie nicht zur Haustür schleppen.
– Jesses, sagte
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