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Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Die Rückkehr des Sherlock Holmes

Titel: Die Rückkehr des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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»Es könnte eine Beschreibung von Watson sein.«
    »Nun, ich furchte, ich kann Ihnen nicht helfen, Lestrade«, sagte Holmes. »Tatsache ist, daß ich diesen Schurken Milverton gekannt habe, daß ich ihn für einen der gefährlichsten Männer ganz Londons gehalten habe und daß ich denke, daß es gewisse Verbrechen gibt, an die das Gesetz nicht herankommt und die daher private Rache in gewissem Ausmaße rechtfertigen. Nein, kein Wort mehr davon. Ich habe mich entschieden. Meine Sympathien befinden sich eher auf der Seite der Verbrecher als der des Opfers, und ich werde diesen Fall nicht bearbeiten.«
     
    Holmes hatte von der Tragödie, deren Zeuge wir geworden waren, kein Wort zu mir gesprochen, doch während des ganzen Vormittags bemerkte ich, daß er in der nachdenklichsten Stimmung war; und sein leerer Blick und sein zerstreutes Wesen riefen in mir den Eindruck eines Mannes hervor, der sich darum müht, sich etwas ins Gedächtnis zurückzurufen. Wir waren gerade beim Lunch, als er plötzlich aufsprang. »Bei Gott, Watson! Ich hab’s!« rief er. »Nehmen Sie Ihren Hut! Kommen Sie!« Er eilte mit höchster Geschwindigkeit die Baker Street hinunter und über die Oxford Street, bis wir fast am Regent Circus angelangt waren. Hier befindet sich zur Linken ein Schaufenster, in dem Photographien der Prominenten und Schönheiten des Tages ausgestellt sind. Holmes’ Augen richteten sich auf eines dieser Bilder, und als ich seinem Blick folgte, sah ich das Bild einer fürstlichen und vornehmen Dame in Hofkleidung, die ein stattliches Diamantendiadem auf dem edlen Haupte trug. Ich betrachtete die zart geschwungene Nase, die markanten Augenbrauen, den klaren Mund und das kräftige kleine Kinn darunter. Und dann stockte mir der Atem, als ich den altehrwürdigen Titel des großen Adligen und Staatsmannes las, dessen Gattin sie gewesen war. Mein Blick traf sich mit dem Holmes’, und er legte einen Finger auf seine Lippen, als wir uns von dem Fenster abwandten.
Die sechs Napoleons
    Es war nichts Ungewöhnliches, daß Mr. Lestrade von Scotland Yard auf einen Abend bei uns vorbeikam; und seine Besuche waren Sherlock Holmes stets willkommen, da sie ihn in den Stand versetzten, mit allem, was im Hauptquartier der Polizei vorfiel, in Kontakt zu bleiben. Als Gegenleistung für die Neuigkeiten, die Lestrade zu bringen pflegte, war Holmes immer bereit, den Einzelheiten jeden Falles aufmerksam zu lauschen, mit dem der Polizist gerade beschäftigt war, und gelegentlich konnte er ihm, ohne direkt tätig zu werden, irgendeinen Hinweis oder eine Anregung geben, die er aus seinen ungeheuren Kenntnissen und Erfahrungen schöpfte.
    An diesem speziellen Abend hatte Lestrade zunächst vom Wetter und den Zeitungen gesprochen. Dann war er plötzlich in Schweigen verfallen und paffte nachdenklich an seiner Zigarre. Holmes sah ihn scharf an.
    »Irgend etwas Bemerkenswertes vorgefallen?« fragte er.
    »Oh, nein, Mr. Holmes, nichts Besonderes.«
    »Dann erzählen Sie mir davon.«
    Lestrade lachte.
    »Nun, Mr. Holmes, es ist sinnlos zu leugnen, daß mir etwas durch den Kopf geht. Und doch handelt es sich um eine so absurde Angelegenheit, daß ich zögerte, Sie damit zu behelligen. Andererseits ist es eine, obzwar triviale, so doch zweifellos sonderbare Sache, und ich weiß, daß Sie an allem Ungewöhnlichen Gefallen finden. Doch fallt dies meiner Meinung nach eher in Dr. Watsons Ressort als in das unsere.«
    »Krankheit?« fragte ich.
    »Auf jeden Fall Wahnsinn. Und was für ein komischer Wahnsinn! Man sollte gar nicht meinen, daß es in der heutigen Zeit noch jemanden gibt, der von einem solchen Haß gegen Napoleon den Ersten erfüllt wäre, daß er jedes Bild von ihm, das ihm unter die Augen kommt, zerstören will.«
    Holmes ließ sich in seinen Sessel zurücksinken.
    »Das ist nichts für mich«, sagte er.
    »Ganz recht. Das sagte ich ja. Wenn dieser Mann aber andererseits Einbrüche begeht, um Bilder zu zerstören, die ihm nicht gehören, dann geht es nicht mehr den Arzt, sondern den Polizisten an.«
    Holmes setzte sich wieder auf.
    »Einbruch! Das ist schon interessanter. Lassen Sie mich die Einzelheiten hören.« Lestrade zog sein amtliches Notizbuch hervor und frischte daraus seine Erinnerung auf.
    »Der erste Fall hat sich vor vier Tagen zugetragen«, sagte er. »Und zwar im Laden von Morse Hudson, der in der Kennington Road eine Verkaufsstelle für Bilder und Statuen betreibt. Sein Gehilfe war mal eben aus dem Ladenraum gegangen, als er von

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