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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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registriert. Jedes dürre Stück Holz, vom dünnsten Zweig bis zum schwersten Ast, strahlte verschwommen leuchtend. Alle Einzelheiten des Käfigs wurden perlmuttfarben nachgezeichnet, von Mondschein definiert. Trotzdem gab dieses Strahlen kein Licht ab. Sie konnte weder den Stein, auf dem sie kniete, noch den Stab sehen, den ihre Hand umklammerte. Das Leuchten betraf nur das Portal selbst. Trotzdem ließen die weißlichen Linien sie die schwarzen Umrisse ihrer Gefährten erkennen. Covenant stand wie zuvor vornübergebeugt in einer Ecke des Käfigs. Jeremiah blieb in der Nähe der Öffnung, die er zuletzt verschlossen hatte.
    Lindens Puls hämmerte in ihren Ohren. Um sie herum verstärkte sich das lichtlose Leuchten des Holzes. Covenant und Jeremiah versanken tiefer in Dunkel, als der Perlmuttschein weiter zunahm. Für kurze Zeit erschien der Käfig ihr wie ein aus steriler wilder Magie gewobenes wirres Geflecht: starr, seine Zweckbestimmung erschöpft. Doch einen Herzschlag später flammte das ganze Gebilde auf und verschwand, als jeder kleinste Splitter des dürren Eichenholzes von den Nachwirkungen von Jeremiahs Theurgie verzehrt wurde.
    Sie erwartete lichtlose Mitternacht. Stattdessen entstand um sie herum jedoch ein warmes rötliches Glühen, als habe dieses letzte Aufflammen von Jeremiahs Tür ihre Umgebung in Brand gesteckt.
    Das Licht war nicht hell genug, um ihr in den Augen wehzutun. Sie blinzelte mehrmals rasch – nicht weil sie geblendet war, sondern weil sie durch das plötzliche Verschwinden des Kastens der vollen Wirkung der Erdkraft ausgesetzt war. Ungeheure Kraft ließ ihre Augen und Nase brennen; Tränen mischten sich in die kleinen Wassertropfen auf ihren Wangen, als weine sie. Verschwommen sah sie, wie Covenant sich aufrichtete und seinen Rücken streckte, als habe er stundenlang gebeugt dagestanden. Sie sah auch, wie ihr Sohn schief grinsend einen Blick mit Covenant wechselte. Dann begannen ihre Nerven sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, und langsam konnte sie wieder klar sehen: Sie befanden sich auf einem Felsband am Ufer eines Bachs, der fast breit genug war, um als Fluss bezeichnet zu werden. Jeremiahs Gebilde hatte sie in eine Höhle versetzt, die so breit und hoch wie die Torhalle von Schwelgenstein war. Die Felsendecke war zerklüftet, unbehauen, auf natürliche Weise entstanden. Aber alle ihre Facetten waren in Jahrtausenden von Spritzwasser und Erdkraft geglättet worden.
    Und sie reflektierten den rötlichen Lichtschein, der die Höhle erfüllte. Der eigenartige Farbton dieses Lichts – ein sanftes Karmesinrot mit gelbroter Tönung – ließ den rasch strömenden Bach schwarz und gefährlich erscheinen, mehr wie flüssiger Teer als Wasser. Der Fels schien an Lava zu denken, sich Magma vorzustellen. Als könne er eines Tages zerfließen und brennen.
    Solches Licht hatte Linden schon einmal gesehen: in den Schrathöhlen unter dem Donnerberg. Covenant hatte es »Felslicht« genannt, und es war bestimmten Kombinationen von Gestein und Erdkraft eigentümlich. Entstanden war es nicht durch Jeremiahs Theurgie; vielmehr hatte diese sie den sanft leuchtenden Fels und den rasch fließenden Bach zunächst nicht gleich wahrnehmen lassen. Wassernebel und Wärme und Erdkraft waren durch die Lücken im Flechtwerk des Käfigs gedrungen; das Licht war ausgesperrt worden.
    Obwohl das Wasser rasch und turbulent floss, war es absolut still, strömte ohne das leiseste Gurgeln, ohne den geringsten Wellenschlag. Kurz fragte sich Linden, ob sie vielleicht taub geworden sei, aber dann hörte sie Covenant sprechen: »Gut«, verkündete er zum dritten Mal. »Wir sind fast am Ziel.«
    Lindens Blick verfolgte unwillkürlich den Wasserlauf, der sich am Ende der Höhle in einen Spalt ergoss, aber als sie ihren Kopf in die andere Richtung drehte, staunte sie, erfüllt von Ehrfurcht: Der Ursprung des Bachs – und der Wassernebel – war ein hoher Wasserfall, der aus der Höhlendecke austrat und sich schäumend auf einem Haufen glatter Steine und Felsblöcke am Beginn des Wasserlaufs brach. Jede Fontäne und jeder Spritzer der herabstürzenden Wassermassen spiegelte das feurige Licht in unzähligen Reflexen wider. In seiner verschwenderischen Manifestation von Erdkraft glich der Wasserfall einem Sturzbach aus Rubinen, Granaten und Karneolen. Trotzdem lief dieses turmhohe Spektakel völlig lautlos ab. Der Tumult aus prasselnd herabschießenden Wassermassen hatte keine Stimme.
    »Wie ...?« Linden flüsterte

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