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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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diese Frage, nur um sich davon zu überzeugen, dass sie noch hören konnte. »Wie ist das möglich?«
    »Ist mir ein verdammtes Rätsel«, murmelte Covenant. »Das habe ich nie verstanden. Vermutlich gibt es hier einfach viel mehr Erdkraft, als unsere Sinne bewältigen können.« Wie der Wasserfall glänzten die kleinen Tropfen auf seinem Gesicht rötlich. Er zuckte mit den Schultern: »Das ist nur Wasser. Wenn es endlich aus dem Berg fließt, ist es der Schwarze Fluss. Aber das Erdblut vermischt sich hier mit ihm. Es tritt aus diesen Felsen aus.« Er deutete auf den Fuß des Wasserfalls. »Dadurch entsteht all das Felslicht. Das Gestein hat sich mit Erdkraft vollgesogen. Aber für unsere Zwecke ist sie hier zu schwach. Wir müssen zur Quelle vordringen.«
    Auf den ersten Blick konnte Linden keinen Ein- oder Ausgang der Höhle erkennen, aber Covenant zeigte direkt auf den Wasserfall. »Dort durch.«
    »Dahinter liegt ein Tunnel«, fügte Jeremiah hinzu. Sein schlammiger Blick war nun hungrig, voller Gier; sein linker Augenwinkel zuckte hektisch. Mit seiner rechten Hand, der Halbhand, hielt er den roten Rennwagen wie einen Talisman umklammert. »Er führt zu der Stelle, wo Erdblut aus einem Felsen sickert. Dorthin müssen wir. Covenant muss direkt aus der Quelle trinken. Sonst gibt es keine Macht des Gebots.«
    »Aber wie?«, fragte Linden mit schwacher Stimme. »So viel Wasser ... Wir werden weggeschwemmt.«
    Covenant sah ihr sekundenlang ins Gesicht, ließ sie den Widerschein des Felslichts wie glühende Kohlen in seinen Augen sehen. In Gegenwart von mehr Erdkraft, als sie seit der Zeit angewandt hatte, als sie den ersten Stab des Gesetzes erschaffen und das Sonnenübel gebannt hatte, ließ er keine Anzeichen von Überanstrengung oder Erschöpfung erkennen. Mit einem Grinsen versicherte er ihr: »Nein, das werden wir nicht. Ich bin nicht weggeschwemmt worden, als Elena mich hierher mitgenommen hat. Du wirst wahrscheinlich kriechen müssen. Aber du kannst es schaffen. Diese Unmengen von Erdkraft ... Sie machen dich stärker. Den Unterschied nimmst du nur nicht wahr, weil es so viel mehr davon gibt.« Dann wandte er sich erneut dem Wasserfall zu, als habe er ihr schon mehr als genug Aufmerksamkeit geschenkt. Er bedeutete Jeremiah, er solle mitkommen, und schritt auf die Kaskade aus Edelsteinen zu.
    Jeremiah gehorchte sofort, und Covenant und er gingen Seite an Seite durch die Wassernebel. In Linden kroch Panik empor, als sie ihnen mit Blicken folgte. Sie musste ständig blinzeln, weil ihre Augen von Erdkraft brannten, und bekam in den dichten Wasserschleiern kaum Luft. Das tausendfach reflektierte Felslicht verwirrte sie, drohte sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Covenant täuschte sich. Sie konnte diese sintflutartigen Wassermassen unmöglich überwinden. Trotzdem stand ihr Entschluss bereits fest. Sie musste es wenigstens versuchen ...
    Einige Augenblicke lang beobachtete sie noch, wie Covenant und Jeremiah ihre ersten Schritte in den Wasserfall machten. Als sie den Haufen aus Steinen und Felsbrocken erkletterten, sah Linden, wie Wassermassen, die sie hätten zerschmettern sollen, ihre Köpfe und Schultern trafen und zu roten Edelsteinwolken zerstoben. In unregelmäßigen Abständen durchlief ein leichtes Beben die Tiefen des Berges.
    Dann legte sie entschlossen den Stab beiseite, damit sie das Gewand und den Umhang abwerfen konnte: Schutzkleidung, die sie Leuten verdankte, die ihr hatten helfen wollen. In der warmen Höhle brauchte sie beides nicht mehr, und sie fürchtete, ihr Gewicht könnte sie in die Tiefe ziehen, wenn sie mit Wasser vollgesogen waren. Nur mit ihrer roten Flanellbluse, Jeans und Stiefeln bekleidet – wie damals, als sie ihr Haus verlassen hatte, um Roger Covenant und ihren entführten Sohn zu verfolgen –, hob Linden Avery den Stab auf und machte sich bereit, der Gewalt des Wasserfalls zu widerstehen.
    Wasserstaub durchnässte sie, ehe sie den Fall selbst erreichte. Ihr Gesicht war tropfnass; Bluse und Jeans klebten ihr am Körper. Angst durchpulste sie, jener nicht unähnlich, die sie beim Anblick von Mithils Sturz erfasst hatte. Vor ihr lag eine schicksalhafte Passage, während der sich alles, was Linden wusste und verstand, in den Stoff verwandeln konnte, aus dem Albträume waren.
    Als die ersten Wassermassen auf sie herabstürzten, wusste sie, dass sie die Steine nicht stehend würde erklettern können. Der abgeschliffene Granit und erst recht der Obsidian waren glatt wie nasses Eis,

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