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Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08

Titel: Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Reaktionen und Gefühlen, gewöhnlichem Leben verschafft. Sie hatte es ihm leichter gemacht, zu entkommen, statt nach einer schwierigeren und kostbareren Form der Genesung zu streben. Denkbar war, so gestand sie sich wehen Herzens ein, dass sie damit an ihrem Sohn so vollständig – und so unabsichtlich – versagt hatte wie an Joan. Linden diskutierte weiter mit sich selbst, während sie durch den Schnee stapfte: Ja, das war möglich. Möglich war aber auch, dass Jeremiahs gegenwärtiges Wissen oder seine verstörenden Loyalitäten nicht möglich gewesen wären, wenn sie ihm nicht zur Flucht aus seinem geistigen Gefängnis verholfen hätte. Hätte er nicht den Weg ins Land gefunden, hätte sein Verstand in völliger Einsamkeit in seinem Kopf verkümmern können. Doch leider war Linden, auch das wusste sie, zu sehr Mensch, um die Wahrheit erkennen zu können. Sie konnte keine Verantwortung, Schuld oder Rechtfertigung zuweisen, weil sie nicht imstande war, den Zustand von Jeremiahs Seele zu erkennen. Er war ihr schon immer ein Rätsel gewesen.
    In den Jahren, seit sie mit Thomas Covenant gereist und gelitten und geliebt hatte, hatte sie sich bemüht, sich mit Unzulänglichkeit abzufinden. Sie hätte mit unerschütterlichem Selbstvertrauen zugegeben, noch keinen ihrer Patienten geheilt zu haben. Stattdessen hatte sie sie bestenfalls ermuntert, sich selbst zu heilen. Aber hier und jetzt war sie weniger imstande, ihre Grenzen zu akzeptieren. Hier stand zu viel auf dem Spiel. Sie verstand fast nichts von dem, was geschehen war, seit Covenant und Jeremiah in Schwelgenstein eingeritten waren. Und sie hatte keinen Grund, zuversichtlich zu erwarten, dass sie stark genug sein würde, um alle zukünftigen Anforderungen zu meistern. Aber sie sagte sich, alle diese Dinge seien trivial. Wirklich wichtig war nur ihre Unfähigkeit, den wahren Zustand von Jeremiahs wiederhergestelltem Verstand zu beurteilen. Wie sollte sie Entscheidungen treffen oder den Menschen verteidigen, den sie liebte, wenn sie nicht wusste, ob er sie noch brauchte?
     
    *
     
    Der Aufstieg zu dem von Covenant gewählten Ziel erwies sich als so schwierig, wie Linden befürchtet hatte. Obwohl der Schnee auf der Nordseite des Hügels weniger Sonne abbekommen hatte und deshalb weniger verharscht war, war er auch tiefer. Der Hügel selbst war gefährlich steil, und die unheimliche Wärme, die sie Covenant verdankte, schwand unaufhaltsam, sodass ihr als Schutz gegen die Kälte nur ihre Kleidung und ihre körperlichen Anstrengungen blieben.
    Trotzdem kämpfte Linden sich bergauf, und als sie endlich den Hügelkamm erreichte und keuchend im trostlosen Sonnenschein des frühen Nachmittags stand, waren ihre Verwirrung und ihre Zweifel einer grimmigen Entschlossenheit gewichen. Der Theomach hatte Covenant erklärt, er müsse ihr gestatten, eigene Entscheidungen zu treffen. Genau das würde sie jetzt tun. Sie hatte ihre Unzulänglichkeit noch nie als Ausrede benutzt und würde auch jetzt nicht damit anfangen.
    Während Jeremiah mit den Füßen scharrte, sah Covenant mit finsterer Miene in die Ferne, und der Theomach summte unmelodisch vor sich hin. Linden begutachtete ihre Umgebung. Hier blendete das vom Schnee reflektierte Sonnenlicht weniger. Bei dieser Kälte hätte jeder Windhauch ihr Tränen in die Augen getrieben, aber die Luft stand praktisch still. Linden konnte sich umsehen, ohne in Gefahr zu sein, tränen- oder schneeblind zu werden.
    Covenant hatte einen sehr guten Aussichtspunkt gewählt. Auf allen Seiten ließ das ungehindert einfallende Sonnenlicht die Umrisse und Kanten der Geländeformationen scharf hervortreten. Von diesem Kamm aus sah Linden, dass die Hügel, die das Tal auf beiden Seiten begrenzten, krumme Reihen bildeten, die von West nach Ost allmählich niedriger wurden. Und sie waren nur zwei von vielen Reihen: Hügelketten mit steilen Flanken und sich windenden Tälern erstreckten sich weiter, als Linden sehen konnte, nach Nordwesten, aber auch nach Südosten. Die gesamte Landschaft war faltig und verknittert wie eine achtlos hingeworfene Wolldecke, und nur wo sie sich nach Osten hin erstreckte, wurde sie in kleinen Schritten flacher. Waren dies die Ausläufer höherer Berge im Westen, waren die Gipfel zu weit entfernt, um gesehen zu werden. Aber als Linden ihre Umgebung mit den Augen absuchte, stellte sie fest, dass sie wegen der scharfen Geländekonturen weiter nach Südwesten und Südosten sehen konnte. Auch in dieser Richtung wurden die Hügel

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