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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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lassen, lächelte, schmunzelte, glitt an seiner Frau vorbei in Richtung Stube und fragte interessiert: »Was gibt es Feines zu essen?«
    Sie hatte ihn schon ein paarmal überrascht mit ihrer Schlagfertigkeit, und er mochte es, dass seine Frau nicht auf den Kopf gefallen war, dass ihr Umgang ein gescheiter war, einer, der sich nichts gefallen ließ; sie hatte eine gewisse, eine nicht ganz unschweizerische Bauernschläue, darauf war er stolz. Mit Schalk und Schelmerei war der Weg gepflastert, auf dem sie sich immer wieder begegnen konnten. Aber er mochte es auch, wenn sie ab und zu ernsthaft aufbrausendwurde, nur ein bisschen, das war das Salz in seiner Suppe. Nur zu gut erinnerte er sich daran, wie sie ihn einmal, ganz zu Beginn ihrer Ehe, mit »Hoi, Löli, kommst heim zum Mampfen« empfing. Er war über alle Maßen erstaunt gewesen ob dieser Art und schoss sie damit an, was ihr eigentlich einfalle, so mit ihm zu reden. Sie hatte wissend gelächelt und in aller Seelenruhe gesagt: »Soviel ich weiß, redest du doch aber auch so?«, und da war ihm schlagartig bewusst geworden, dass er jetzt nicht mehr alleine lebte, die Junggesellenzeit vorüber war und dass er die Baustellensprache draußen lassen musste, genauso wie das schwere Schuhwerk, dass alles Ungehobelte und nicht Fertiggedachte in seinem neuen Heim nichts zu suchen hatte. Nie wieder hatte er es zugelassen, dass seine Kumpane ihre grobe Sprache benutzten, wenn Alda in Hörweite war, und selber bemühte er sich um eine gepflegte Sprache, sobald er seinen Fuß über die Schwelle setzte.
    Alda würde bestimmt auch jetzt etwas Lustiges sagen, etwas Herausforderndes, weil er ihr nicht sofort und unmittelbar Gehör geschenkt hatte, aber als nichts kam, drehte sich Nunzio um und sah, dass da echte Tränen quollen.
    »Aber nein, Alda, Alda, wein doch nicht, komm, setzen wir uns, was ist denn passiert? Erzähl es mir, alles, komm, komm, alles schön der Reihe nach.«
    Alda schniefte. Sie ließ sich auf die Eckbank aus Nussbaumholz fallen, drückte Carla fest an sich und nahm dankbar das Taschentuch an, das ihr ihr Mann entgegenhielt. Nachdem sie sich ordentlich die Nase geschnäuzt hatte, erzählte sie ihm die Geschichte.
    »Drei Wochen Zeit geben sie uns, auszuziehen, deine verrückten Eltern. Dein Vater sagt sogar, du seist enterbt! Bis Ostern haben wir die Wohnung zu räumen, Nunzio, wir sind heimatlos!« Dann schnäuzte sie sich wieder und versuchte, einigermaßen Haltung anzunehmen, da sie sah, wiesich auch Nunzio juniors Gesichtchen in Schmerz und unbestimmtem Schrecken verzog. »Ich verstehe es nicht. Sie sind so stur, deine Eltern, alle beide!« Alda fasste Mut, ihr Mann hatte nach ihrer Hand gegriffen und rieb ihr mit dem Daumen nun über die Finger, drückte ihr jeden einzelnen, ermunterte sie, endlich damit herauszurücken, was denn eigentlich vorgefallen war.
    »Sie hat mich gesehen, wie ich beim Migros-Wagen Eier kaufte. Ich weiß nicht, ob sie mich wirklich gesehen hat oder ob es ihr jemand zugetragen hat, dass ich Migros-Kundin bin, aber als ich heute im Comestibles war, um Dörrobst zu holen, fuhr sie mich an wie eine Furie! Ich will dir gar nicht alles wiederholen, was sie mir an den Kopf geschmissen hat und wie sie mich genannt hat, diese impertinente Person, die noch nicht einmal richtig Deutsch kann! Aber es war schrecklich, es war so entwürdigend, so entblößend, eine Katastrophe. Und nun müssen wir fort von hier, Nunzio, sie jagen uns aus deinem eigenen Elternhause! Eine Familie mit zwei kleinen Würmern, Nunzio, was sind das nur für Menschen!« Alda holte Luft, ihr Rücken straffte sich, als sie fortfuhr: »Und du hättest erst deinen Vater hören sollen! Wie der mich alles genannt hatte, das geht auf keine Kuhhaut!«
    »Was hast du denn geantwortet?«
    »Ich? Ich habe nur gesagt, ich gebe nicht gern Geld für faule Eier aus. Nunzio, das war doch keine Lüge? Das war doch nicht falsch? Du weißt ja selber, wie lange sie das Schock Eier unten lagert und wie sie die alten immer zuoberst hintut, auch wenn die schon ganz schwefelig riechen, das weißt du doch auch!«
    Nunzio ahnte den Ernst der Lage. Und Nunzio blieb gelassen. Alda beobachtete sein Gesicht, das bereits wieder den gewohnt verschmitzten Ausdruck annahm, die übliche stille Heiterkeit, kurz bevor er ihr abschließend die Handtätschelte und sagte: »Bei Grafs drüben ist eine Wohnung frei. Die nehmen wir. Dann sind die Bahngeleise zwischen uns. Ein Katzensprung zum

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