Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ruinen von Gorlan

Die Ruinen von Gorlan

Titel: Die Ruinen von Gorlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Flanagan
Vom Netzwerk:
nicht wusste, wie er ihr entkommen sollte, ohne sich weiteren Peinlichkeiten und Demütigungen auszusetzen.
    Und ausgerechnet an dem einzigen Tag, an dem er den Zwängen der Heeresschule und den Quälereien der drei Tyrannen entkommen konnte, fand er seine früheren Heimgenossen bereits feiernd vor. Er war wütend und verletzt, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hatten, auf ihn zu warten. Er wusste nicht, dass Jenny seine Portion für ihn beiseite gelegt hatte, und nahm an, sie hätte alles aufgeteilt. Das schmerzte ihn mehr als alles andere. Denn ihr hatte er sich von jeher am nächsten gefühlt. Jenny war stets fröhlich und freundlich, immer bereit, sich die Sorgen der anderen anzuhören. Er merkte, dass er sich darauf gefreut hatte, sie heute wiederzusehen, und hatte nun das Gefühl, von ihr im Stich gelassen worden zu sein.
    Er konnte einfach nicht anders, als schlecht von den anderen zu denken. Alyss hatte auf ihn immer den Eindruck gemacht, als hielte sie sich von ihm fern, weil er nicht gut genug für sie sei, und Will hatte seine Zeit damit verbracht, ihm Streiche zu spielen und dann davonzulaufen und auf diesen hohen Baum zu klettern, wohin Horace ihm nicht folgen konnte. So empfand Horace es in seinem gegenwärtigen verletzten Zustand. Er vergaß natürlich die Zeiten, in denen er selbst Will am Ohr gezogen oder ihn in den Schwitzkasten genommen hatte, bis Will gezwungen gewesen war aufzugeben.
    Was George betraf, so hatte Horace nie viel auf ihn geachtet. Für Horace war er ein Streber und Bücherwurm und deshalb farblos und uninteressant. Jetzt alberte er vor den anderen herum, während sie lachten und die Fleischküchlein aßen und nichts für ihn übrig gelassen hatten. Plötzlich hasste er sie alle.
    »Ist das nicht reizend?«, sagte er bitter und sie drehten sich verblüfft zu ihm um. Jenny war – wie so oft – die Erste, die sich fing.
    »Horace! Da bist du ja endlich!«, rief sie aus. Sie wollte auf ihn zugehen, doch sein abweisender Blick ließ sie stehen bleiben.
    »Endlich?«, wiederholte er. »Ich komme ein paar Minuten zu spät und dann bin ich ›endlich‹ hier? Und leider zu spät, weil ihr euch bereits die Bäuche voll gestopft habt.«
    Jenny drehte sich sofort zu den beiden Küchlein, die sie in einem kleinen Mundtuch für ihn aufbewahrt hatte. »Nein, nein«, sagte sie schnell. »Da sind doch noch welche. Sieh her!«
    Aber Horaces aufgestaute Wut verhinderte, dass er vernünftig denken konnte. »Tja«, erwiderte er patzig, »vielleicht sollte ich dann lieber später zurückkommen und euch Zeit lassen, die auch noch zu verdrücken.«
    »Horace!« Tränen stiegen in Jennys Augen auf. Sie hatte keine Ahnung, was mit ihm los war. Sie wusste nur, dass ihr Plan, ein fröhliches Wiedersehen mit ihren alten Kameraden zu feiern, völlig schief ging.
    George trat jetzt vor und sah Horace neugierig an. Er legte den Kopf zur Seite, um Horace näher zu betrachten  – als wäre er ein Beweisstück in einem Gerichtsverfahren.
    »Es gibt keinen Grund, so unfreundlich zu sein«, sagte er ruhig und vernünftig.
    Doch Vernunftgründe waren das Letzte, was Horace jetzt hören wollte. Wütend schob er George zur Seite.
    »Lass mich in Ruhe«, fuhr er ihn an. »Und pass auf, wie du mit einem Krieger redest.«
    »Du bist noch kein Krieger«, entgegnete Will da zornig. »Du bist ein Lehrling, genau wie wir alle.«
    Jenny hob abwehrend die Hände, damit Will die Sache auf sich beruhen ließ. Horace, der sich gerade die verbliebenen Küchlein nahm, blickte langsam auf. Er musterte Will ein paar Sekunden.
    »Oho!«, sagte er. »Wie ich sehe, ist der Lehrjunge des Spions heute auch bei uns!« Er sah sich um und erwartete, dass die anderen über seine Bemerkung lachten. Dass sie es nicht taten, machte ihn nur noch ungehaltener.
    »Ich nehme an, Walt bringt dir bei, wie man umherschleicht und andere ausspioniert, was?« Ohne auf eine Antwort zu warten, machte Horace einen Schritt nach vorn und befingerte spöttisch Wills gesprenkelten Umhang.
    »Was soll das denn sein? Hast du nicht genug Farbe gehabt, ihn einheitlich einzufärben?«
    »Das ist der Umhang eines Waldläufers«, antwortete Will ruhig und versuchte, sich zu beherrschen.
    Horace schnaubte abfällig, steckte ein halbes Küchlein in den Mund und verstreute dabei achtlos die Krümel.
    »Sei doch nicht so unfreundlich«, warf George ein.
    Horace drehte sich mit knallrotem Gesicht zu ihm um. »Halt deine Zunge im Zaum, du Zahnstocher!«, fuhr er ihn

Weitere Kostenlose Bücher