Die Ruinen von Gorlan

deutete nach links. Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er nicht erwartete, solche Dinge mehrmals sagen zu müssen. Will stellte sich in den Steigbügeln aufrecht, um die Spuren deutlicher sehen zu können.
    »Hase«, sagte er prompt.
    Walt drehte sich um und warf ihm einen langen Blick zu. »Hase?«, fragte er nach. Will sah noch einmal hin und korrigierte sich sofort. »Nein, Hasen.« Walt bestand stets auf Genauigkeit.
    »Das meine ich auch«, murrte Walt. »Wenn wir es jetzt hier mit den Spuren von Nordländern zu tun hätten, müsstest du ganz genau sagen können, wie viele es sind.«
    »Ja, das denke ich auch«, sagte Will kleinlaut.
    »Das denkst du auch!«, wiederholte Walt sarkastisch. »Glaub mir, Will, es ist ein großer Unterschied, ob sich da ein Nordländer in der Gegend rumtreibt oder ob es sich um ein halbes Dutzend handelt.«
    Will nickte entschuldigend. Zu den Dingen, die sich in letzter Zeit zwischen Walt und ihm geändert hatten, gehörte auch, dass Walt ihn nur noch selten mit »Junge« anredete. Inzwischen nannte er ihn immer beim Namen. Das gefiel dem eifrigen Lehrling. Es gab ihm das Gefühl, dass er von dem grimmigen Waldläufer akzeptiert wurde. Dennoch wünschte er, Walt würde ab und zu mal dabei lächeln.
    Oder wenigstens ein einziges Mal.
    Walts mahnende Stimme holte ihn aus seinen Tagträumen.
    »Also Hasen. Ist das alles?«
    Will sah noch einmal genauer hin. In dem aufgewühlten Schnee waren Einzelheiten schwer zu erkennen, aber jetzt, wo Walt ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, entdeckte er noch eine andere Spur.
    »Ein Wiesel!«, rief er triumphierend und Walt nickte wieder.
    »Ein Wiesel«, bestätigte er. »Aber du hättest wissen müssen, dass da noch etwas anderes war, Will. Sieh dir an, wie tief die Hasenspuren sind. Es ist offensichtlich, dass den Tieren etwas Angst gemacht hat. Wenn du so etwas siehst, ist es ein Hinweis darauf, dass du noch nach etwas anderem suchen musst.«
    »Verstehe«, sagte Will.
    Walt sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Du verstehst es zwar, wenn ich es dir erkläre, aber all zu oft erkennst du es nicht, weil du dich nicht genügend konzentrierst. Daran musst du noch arbeiten.«
    Will nahm den Tadel wortlos hin. Inzwischen hatte er gelernt, dass Walt ihn nicht grundlos beanstandete. Und wenn es einen Grund gab, dann konnte ihn auch keine Entschuldigung retten.
    Sie ritten schweigend weiter. Will strengte seine Augen an, um weitere Spuren zu entdecken. Hier und da sah er vertraute Merkmale in der Landschaft, die ihm verrieten, dass sie sich der Hütte näherten.
    »Seht doch«, rief er plötzlich und deutete auf eine Spur im Schnee, ein Stück abseits vom Pfad. »Was ist das denn?« Diese Tierspuren, wenn es welche waren, ähnelten keinen, die Will bis jetzt gesehen hatte.
    Der Waldläufer lenkte sein Pferd dorthin und überprüfte die Spuren genauer. »Hm«, sagte er nachdenklich. »Die habe ich dir bisher noch nicht zeigen können. Man sieht sie heutzutage nicht allzu oft, also schau sie dir gut an, Will.«
    Er schwang sich gekonnt aus dem Sattel und watete durch den knietiefen Schnee auf die Spuren zu.
    Will folgte ihm. »Was ist es?«
    »Ein Wildschwein«, antwortete Walt. »Und zwar ein großes.«
    Will sah sich daraufhin nervös um.
    Walt bemerkte seinen Blick und winkte ab. »Ganz ruhig«, sagte er. »Es ist nicht mehr in der Nähe.«
    »Erkennt Ihr das an den Spuren?«, fragte Will und starrte fasziniert in den Schnee. Die tiefen Furchen waren offensichtlich von einem sehr großen Tier gemacht worden und obendrein wohl von einem sehr großen, wütenden Tier.
    »Nein«, antwortete Walt. »Das verraten mir unsere Pferde. Wenn ein Wildschwein dieser Größe noch irgendwo in der Nähe wäre, würden die beiden es wittern und so laut schnauben und wiehern, dass es uns sofort auffiele.«
    »Oh!« Will kam sich ein bisschen dumm vor. Er ließ den Bogen, den er gefasst hatte, wieder locker. Trotz Walts beruhigenden Worten konnte er jedoch nicht anders, als sich noch einmal umzusehen. Und da begann sein Herz wie verrückt zu klopfen.
    Das dichte Unterholz bewegte sich an einer Stelle ganz leicht. Früher hätte er eine solche Bewegung dem Wind zugeschrieben, aber inzwischen war sein Wahrnehmungsvermögen geschärft. Im Augenblick gab es keinen Wind. Nicht den leisesten Hauch.
    Dennoch bewegten sich die Büsche.
    Will ließ seine Hand langsam zu seinem Köcher wandern. Ganz bedächtig, um das Wesen im Gebüsch nicht aufzuschrecken, holte er einen