Die Rumplhanni
rasch über die Augen. Dann öffnet sie die beiden andern Schreiben, ersieht daraus, daß ihre Mutter, die sie eigentlich nie recht kannte, irgendwo in einem Krankenhaus verstarb, und daß sie, die Johanna Rumpl von Öd bei Schönau in Bayern, die alleinige Erbin des Besitzes und der Habe ihrer Großmutter ist. – Also mehrt sich das Gut der Hanni um ein gerechtes Häuflein Geld und Sach; davon besonders zu benennen ist das Kästlein in der alten Gewandtruhe mit siebzehnhundert alten Silbergulden und einem vergilbten Schrieb desselbigen rothaareten Steinmüllersohnes von Kreuz, den das Urahnl der Hanni beinah als seinen Eheherrn hätt um die Finger wickeln können, wenn das schwarzhaarete Kindl nicht gewesen wär. In dem Schrieb aber bekannte er sich noch: als den in Lip demütigen und getreien Knecht und Buhl Andreas, wünschte seinem Waberl eine gute Zeit und glückhafte Genesung von einem liplichen Kindtlein. – Die Hanni hält das rauhe, modrige Papier lang in ihren Händen, und ihr Blick betrachtet die ungelenken Schriftzüge des Toten. Und es kriecht langsam in ihr eine verlegene, ungute Scham herauf darüber, daß auch sie einen Burschen einhandeln wollt um eine Spitzbubentat. Aber da blinken und gleißen die Guldenstücke lockend aus dem Kästlein und ziehen den Blick hinweg vom Betrachten und Erkennen, vom Bereuen und Fürnehmen. So daß die Dirn darauf vergißt und lieber mit den Fingern in den hellklingenden Münzen wühlt und dabei summt: »Wanns Kronataler regnen tuat – und Guldnstückl schneibn, – nachher bitt i unsern Hergott, – es möcht's Wetter a so bleibn!«
Im Hause des Martlbräu herrscht Lust und Freud. Der einzige Sohn, der Ferdl, ist auf Urlaub heimgekommen und wurde empfangen mit Blumen und Girlanden, mit Willkommengrüßen auf Transparenten und einer Jubelhymne auf dem Klavier. Und die Mutter preist ihr Glück, daß sie ihren Buben wiedersieht, freut sich über seine goldenen Borten und die Knöpfe an seiner grauen Uniform, die ihn als Vizewachtmeister der Feldartillerie kennzeichnen, und läßt Freund und Nachbarn teilnehmen an Glück und Freud; indes der Vater zufrieden und wohlwollend den Erzählungen des Sohnes lauscht und das schlichte schwarze Kreuz in der Hand hält, betrachtet und es danach den Stammgästen zeigt. Die Schwester des Herrn Vizewachtmeisters aber prangt in Festgewändern, hüpft und tänzelt um den feschen Bruder herum, hat hundert Pläne im Kopf und eine Menge Vorschläge im Mund, wie der Ferdl am besten seine zehn Tag Urlaub in Saus und Braus und in ihrer Gesellschaft hinbringen könnt, und weint schließlich vor heller Enttäuschung und Verzweiflung darüber, daß der »fade Mensch« am liebsten bei der Mutter in der Küche oder beim Vater in der Stube hockt, raucht und sich darüber freut, daß er endlich ein bißl ausruhen und zu sich selber kommen kann.
Eine aber ist, die dies Heimhocken des Herrn Ferdinand Martl nicht bedauert, die Hanni. Für sie ist die Ankunft des Sohns vom Haus ein Ereignis, wie die Erscheinung eines neuen Kometen für den Sterngucker. Und ein Gedanke steigt in ihr auf, wächst riesengroß und beherrscht am End das ganze Denken, Sinnen und Trachten der Dirn: der Gedanke, eine Brücke zu bauen hin zu den Besitztümern des Martlbräu. Also beginnt sie sogleich ihr Werk; sie kleidet sich nach dem Vorbild etlicher feiner Herrschaftsmädchen, die abends immer das Bier holen, nur mehr in himmelblaue, getüpfelte Waschkleider, trägt weiße Schürzen mit gestickten Spitzenträgern und zwängt die Füße in schmale, braune Spangenschuhe. Auch versucht sie, ihr dichtes schwarzes Haar modisch zu richten, wellt und brennt und steht abends lang vor dem Spiegel, frisiert und probiert, flicht sich Zöpfe und löst sie wieder, macht sich Schnecken und Locken, Scheitel und Tuffen, bis sie endlich eine Haartracht findet, die ihr vorteilhaft genug erscheint, um sich in den Augen des Herrn Ferdinand ins rechte Licht zu setzen. Dazu ist sie von einer frischen, kindlichen Heiterkeit, schafft und werkt mit einer riegelsamen Emsigkeit und macht sich also schier unentbehrlich bei der Wirtin, die, des Lobes voll über die Hanni, wiederholt zu ihrem Sohn sagt: »So oane, wie d' Hanni, so tüchtig und so nett, Ferdl, und dazua aus an guatn Haus, so oane möcht i glei als Schwiegertochter. Der tät i's Gschäft schon anvertraun!«
Und der Herr Ferdl schmunzelt, sagt gar nichts und ist gegen die Hanni von einer gleichmäßigen höflichen Freundlichkeit, läßt
Weitere Kostenlose Bücher