Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
Strafen folgen würden. Die Höflinge und die Wachen erkannten das ebenfalls – und huschten in den hinteren Teil des Saals.
»Euer Hoheit«, begann Yohari, »ich denke nicht, dass diese Diakone aus Vermillion die Einzigartigkeit unserer Position ermessen können …«
»Genug!« Onika hob die Hand und schnitt dem Abt das Wort ab. »Ich habe Euch damit betraut, Eure Diakone im Auge zu behalten, so wie ich all Eure Vorgänger mit dieser Aufgabe betraut habe. Ihr habt versagt, Abt Yohari.«
Sorcha runzelte die Stirn. Wie alt genau war der Prinz? Durch die Verbindung spürte sie, dass Merrick nicht überrascht war. Das Gefühl, ihr jüngerer Partner wisse mehr als sie, war ziemlich frustrierend.
»Was Euch betrifft«, begann Onika, und Sorcha rang die Hände, »so hatte ich erwartet, dass Ihr den Mörder in unserer Mitte findet – und stattdessen wird eine meiner Töchter umgebracht. Erklärt mir das.«
Er sprach jetzt so tonlos und schrecklich, dass Sorcha sicher war, Onika könnte – obwohl er nicht über die Mittel verfügte wie früher – einen Weg finden, sie zu töten. Sie hätte sich verteidigt, hätte versucht, die besten Worte zu finden, aber Merrick trat zwischen sie beide.
»Ihr solltet mein Wort darauf nehmen, Onika – Sorcha hat Euer Kind nicht getötet.« Das war die Art der Sensiblen: Sie sahen so deutlich, dass sie die Wahrheit viel leichter umgehen konnten. Sorcha wusste, dass sie Jaskia nicht getötet hatte, aber sie hatte zu der Situation beigetragen, die dazu geführt hatte. Diakone taten das oft.
Das Wort eines Ordensmitglieds, erst recht eines so jungen, hätte bei diesem herrischen und geheimnisvollen Monarchen nichts ausrichten sollen, doch er stieß einen Atemzug aus, der darauf hindeutete, dass er hinter dem schimmernden Schleier weinte. »Merrick – Ihr wisst nicht, was sonst noch geschehen ist.« Auch ohne seine Miene zu sehen, gewahrte Sorcha die Haltung seiner Schultern, die Müdigkeit in jedem Muskel. Es war, als lastete ein gewaltiges Gewicht auf ihm.
»Onika?« Merrick trat einen Schritt vor und fasste den Prinzen am Ellbogen. Ein solcher Bruch des Protokolls hätte zu einer Duellforderung oder zumindest zu einem ernsten Tadel führen können, aber der Monarch rührte sich nicht. Sorchas Verwirrung wuchs von Minute zu Minute, vor allem, als die nächsten Worte aus dem Mund des Prinzen kamen.
»Es ist Eure Mutter.« Der Ton war unverkennbar; es lag Trauer in seiner Stimme. »Sie haben sie entführt.«
Das Gesicht ihres Partners wurde weiß, und eine Woge der Furcht erhob sich plötzlich über das Durcheinander der Gefühle in der Verbindung. Sorcha konnte nicht länger stillstehen und zulassen, dass sich diese seltsamen Ereignisse abspielten.
»Mutter?« Ihre Augen weiteten sich. »Bei den Knochen – von wem redet er, Merrick?«
Als er sich umdrehte, waren seine Augen groß, aber er biss die Zähne zusammen. Er sah jünger aus als seine fünfundzwanzig Jahre – beinahe wie ein verängstigtes Kind, das wütend wird. Seine Stimme war tonlos, als er ihr antwortete: »Ihr habt sie bereits kennengelernt – sie erwartet sein Kind.«
Sie erinnerte sich an die Frau, schön und hochschwanger und dem Prinzen seltsam ergeben. Plötzlich traf sie die Ähnlichkeit zwischen ihr und Merrick wie ein Schlag. Sie hätte beinahe gelacht – es gab viele gute Gründe, warum sie nie als Sensible in Betracht gekommen war.
Sorcha hatte von Merrick nicht viel über seine Familie gehört, aber andererseits hatte sie ihm auch nichts von ihrer erzählt. Die meisten Diakone wurden von Kindheit an ausgebildet, und viele waren verwaist oder wurden von verarmten Eltern zum Orden geschickt. Es kam so oft vor, dass es fast die Regel war. Aber Sorcha wusste von dem, was sie im Harem gehört hatte, dass die königlichen Konkubinen und Ehefrauen keine Mitglieder des gemeinen Volkes waren. Sie waren stolz darauf.
Wenn also die Frau, die sie gesehen hatte, Merricks Mutter war, dann folgte daraus, dass er kein normales Waisenkind war, das man von der Straße aufgelesen hatte.
»Wir haben keine Geheimnisse voreinander«, erklärte Onika, »und sie war so glücklich darüber, Euch zu finden.«
Sorcha, bitte.
Durch ihre Verbindung konnte sie Merricks Panik spüren. Ihr Partner. Er war ihr Partner, und im Gegensatz zu ihr hatte er Familie. Das musste etwas bedeuten.
Wenn diese Situation geregelt ist,
erwiderte sie,
sprechen wir darüber.
Helft mir nur, sie zu finden.
Es war die Stimme eines Sohns,
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