Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
wenn sie ihr im Moment nichts nützten.
Sorcha betrachtete den Prinzen von Chioma, der hinter seiner schwingenden Maske verborgen war. »Also, wie schwierig wird es, in diesen Tempel zu gelangen?«
»Ich denke, Ihr habt gesehen, dass ich nicht ohne Mittel bin.« Seine Stimme war hart, distanziert und eines Gottes würdig. »So habe ich schließlich den Mob daran gehindert, in den Thronsaal zu gelangen. Das Problem wird sein, rechtzeitig in den Wüstentempel zu kommen. Bedauerlicherweise habe ich keine Flügel.«
Es war schwer zu sagen, ob das ein Scherz hatte sein sollen – Sorcha würde ihn sicher nicht bitten, die Maske abzunehmen. Außerdem hatte sie eine Idee.
»Sagt mir, Euer Hoheit – seid Ihr je mit einem Kaiserlichen Luftschiff gereist? Es ist die beste Art zu fliegen.«
Sein leises Lachen war das fröhlichste Geräusch, das Diakonin Sorcha Faris seit vielen, vielen Stunden gehört hatte.
Kapitel 27
Die Liebe eines Sohns
Es war hart, Sorcha zu verlassen, und Merrick graute davor. Alles, was man ihn je gelehrt hatte, sagte ihm, dass er bei ihr bleiben sollte – aber die Liebe eines Kindes zu seiner Mutter ging noch tiefer. Er hätte nie mit einer solchen Situation gerechnet, aber wenn sie Japhne schnell genug fanden, sollte er in der Lage sein, zu seiner Partnerin zurückzukehren, bevor sie der Göttin gegenüberstand.
Der Palast machte Merrick jedoch nicht zuversichtlich, was das Erreichen seiner Ziele anging. Der Diakon hielt sein Zentrum geöffnet, aber alles, was er auffing, waren Panik und Entsetzen.
»Sir.« Ein Wachposten, seinen Abzeichen nach ein Sergeant, schaute um die Ecke des Flurs. »Bitte verzeiht meine Frage, aber seid ihr Diakone nicht immer zu zweit unterwegs?«
Merrick konnte seine Furcht riechen – diese Wachen waren für die Abwehr von Meuchelmördern und Unruhestiftern ausgebildet und für die eine oder andere Auseinandersetzung zwischen den Frauen des Prinzen. »Wie ist Euer Name, Soldat?«
»Dael.« Sein Blick huschte unsicher zu Merrick.
»Nun, Dael« – Merrick führte sie schroff durch den Flur und vermittelte eine Sicherheit, die er nicht empfand – »die Mitglieder meines Ordens sind tatsächlich üblicherweise zusammen unterwegs, doch wir sind auch darin ausgebildet, selbst auf uns aufzupassen.« Über die seltsame Verbindung und die Macht, die sie ihm und Sorcha über normale Diakone hinaus verlieh, äußerte er sich nicht.
Als sie den Harem erreichten, standen die Türen weit offen, und ein toter Eunuch lag im Garten, doch Merrick interessierte etwas anderes. Auf dem einst tadellos gepflegten Pfad fand er im aufgewühlten Kies, wonach er suchte: einen einzigen, kleinen Tropfen Blut.
Er bückte sich und hielt die offene Hand darüber. Es war ihr Blut, und Merrick erlaubte sich nicht, darüber nachzudenken, unter welchen Umständen es hier gelandet sein mochte; was zählte, war, dass es nur ein kleiner Tropfen war. Hier hatte kein Mord stattgefunden. Aiemm, die zweite Rune der Sicht, loderte in seinem Geist auf, und er warf einen Blick zurück durch die Zeit auf den Schrecken seiner Mutter.
Sie rannte, rannte, und jemand verfolgte sie. Der Schnitt in ihrer Hand war klein, ein Ausrutscher des Messers, mit dem sie sich verteidigt hatte. Sie hielt es fest umklammert und spürte in ihrer Panik keinen Schmerz. Ihre Verfolger trugen Umhänge, selbst in der Hitze des Gartens, und weil sie hochschwanger war, lief sie unbeholfen.
Merrick öffnete die Augen. Sie hatte es nicht gesehen; sie jagten sie nicht nur – sie
trieben
sie.
»Schnell.« Er stand auf. »Es ist noch Zeit.«
Wieder ging es hinab in die Tunnel – dorthin hatten sie seine Mutter wie Schäferhunde gehetzt. Nur dass er vermutete, dass diese Hunde beißen würden.
Merricks Verstand raste, und nicht nur wegen der Unnatürlichkeit der Situation; er dachte an eine Zeit zurück, als er einen weiteren Elternteil verloren hatte.
Der Geschmack erinnerter Furcht füllte seinen Mund, und plötzlich war er der kleine Junge, der sich hinter einem Wandbehang versteckte und zusah, wie sein Vater von etwas aus der Anderwelt in Stücke gerissen wurde. Er hatte nicht geweint, hatte kein einziges Wort gesagt, aber er erinnerte sich an das Leid. Das Schluchzen seiner Mutter schien seine ganze Kindheit über kein Ende zu nehmen. Und schließlich beschwor er das Bild von Japhne herauf, wie sie vor einigen Abenden am Fußende des Bettes gesessen und glückstrahlend gelächelt hatte. Diesen Ausdruck wieder auf ihrem
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