Die russische Herzogin
»Stell dir vor, vor lauter Verliebtheit bin ich gestern sogar ohnmächtig geworden! Als ich wieder zu mir kam, hielt Eugen mich in seinen Armen. Das war so schön … Ich fühlte mich wie die Prinzessin in einem Märchen.« Wera lächelte versonnen.
»Du bist in Ohnmacht gefallen? Wieso weiß ich nichts davon?«, fuhr Olly auf.
Wera winkte ab. »Mir geht es blendend. Übrigens … nachher fahre ich mit Eugen nach Ludwigsburg. Wir wollen das Ulanenregiment besuchen. Du erlaubst es mir doch, oder?«
»Mit Eugen nach Ludwigsburg?«, echote Olly und kam sich vor wieein Papagei. »Ihr zwei allein unterwegs, ohne Anstandsdame – das geht nicht! Denk doch nur an das Gerede der Leute. Da siehst du wieder einmal, wie wichtig es ist, dass wir endlich eine Dame als Hofdame für dich aussuchen.«
»So etwas brauche ich nicht. Und was den heutigen Ausflug angeht – sagt Karl nicht immer, dass man einem Mitglied des Ulanenregiments bedenkenlos vertrauen könne? Also gibt es keinen Grund, mich nicht mit Eugen fahren zu lassen.« Mit trotzig vorgerecktem Kinn stand Wera auf. »Und nun muss ich in mein Zimmer, die Zeit drängt. Hättest du etwas dagegen, wenn Emilia oder eine deiner anderen Zofen mir die Haare macht?«
*
Die drückende Schwüle des Vortags hatte sich in einem nächtlichen Gewitter verloren, und um zehn am Vormittag schien die Sonne längst wieder von einem blankpolierten Himmel. Entlang des Neckars hing dennoch an tiefer liegenden Stellen Bodennebel, der die Auen einhüllte wie eine luftige Daunendecke. Im grünen Blätterdach der Bäume glitzerten feuchte Lichttropfen.
Wera atmete entzückt die Luft ein, die würzig nach Kräutern duftete. Was für ein herrlicher Tag! Und das Beste daran war, dass sie ihn gemeinsam mit Eugen verbrachte. Nach ihrer Heimkehr würde sie versuchen, all die überwältigenden Eindrücke und Gefühle in einem Gedicht festzuhalten.
Während sie ihn unter niedergeschlagenen Lidern musterte, griff sie sich vorsichtig mit der rechten Hand an den Kopf. Ollys Zofe hatte ihr eine Hochsteckfrisur gemacht, in die sie selbst am Ende noch etliche glitzernde Kämme gesteckt hatte. Alles saß noch da, wo es sitzen sollte – Gott sei Dank. Sie trug ein ultramarinblaues Kleid, ein seidener Schal flatterte um ihren Hals, und die goldenen Armreifen vom Vorabend hatte sie ebenfalls wieder angelegt. Um Eugen zu imponieren, würde sie alle Geschütze auffahren, über die sie verfügte! Denn ihre Konkurrenz, die Tänzerin, würde sich gewiss auch alle Mühe geben.
»Seieinfach du selbst«, hatte Olly gemeint, als Wera sie nach einem Rat für den heutigen Tag fragte.
»Das ist nun wirklich ausgesprochen hilfreich«, antwortete Wera stöhnend. »Wie hast du eigentlich deinen ersten Verehrer verzaubert?«, wollte sie dann von Olly wissen.
Zuerst hatte sich die Königin gesperrt und geantwortet, dass man die Zeit damals nicht mit der heutigen vergleichen könne. Doch dann war ihre Miene auf einmal ganz verträumt geworden, und sie hatte wie ein junges Mädchen ausgesehen.
»Die erste Liebe … Das ist eine wunderschöne Zeit im Leben jeder jungen Frau. Ich war so romantisch gestimmt! Mein Herz gehörte der Poesie, und ich liebte es, wenn ein Herr mir Gedichte vorlas. Selbst brachte ich den Mund kaum auf, ich war nämlich leider schrecklich schüchtern. Aber ich habe bald festgestellt, dass Männer jene Frauen, die ständig reden, sowieso nicht mögen. Vielmehr schätzen sie es, wenn man ihnen zuhört. Also habe ich ab und an eine Frage gestellt und die Herren damit sehr glücklich gemacht.«
Unruhig rutschte Wera jetzt auf der ledernen Sitzbank hin und her. Still sein und zuhören – das war ja schön und gut, solange der Herr die Unterhaltung bestritt. Doch Eugen schwieg ausdauernd vor sich hin. Was man als Dame in solch einem Fall zu tun hatte, hatte Olly nicht gesagt …
»Weißt du schon, welchen Posten du zukünftig in eurem Regiment bekleiden wirst?«, fragte Wera schließlich mit ungewohnt leiser Stimme. Olly hatte nämlich auch gesagt, dass es nicht schaden könne, Zurückhaltung an den Tag zu legen. »Männer mögen es, wenn Frauen ihre Contenance wahren. Das macht uns unergründlich und geheimnisvoll, weißt du.«
Sich an Ollys Worte erinnernd, zückte Wera ihren Fächer, um Eugen über den Rand hinweg einen Blick voller Contenance zuzuwerfen, kam sich dabei jedoch nicht geheimnisvoll, sondern komisch vor. Also packte sie den Fächer wieder fort.
Eugen zuckte mit den
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