Die Sache mit Jo und Mo (German Edition)
Deine Mutter und ich freuen uns schon auf dich.“ Kurz knapp. Mal wieder ihre Stippvisite zwischendurch.
Jo stöhnte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Wie sollte er ihnen den fröhlichen, lebenslustigen, sich gut amüsierenden Sohn vorspielen, wenn er vor innerem Schmerz schier verging? Das konnte echt problematisch werden.
Vielleicht konnte er seinen Zustand auf zu viel Alkohol schieben? Das würden sie ihm sofort abnehmen. Wäre ein akzeptablerer Grund als Liebeskummer. So ganz entbehrte es auch nicht mehr der alkoholischen Grundlage.
Tatsächlich nahmen ihm seine Eltern diese Erklärung auch sofort mitleidig ab, als er sich bei ihnen entschuldigte und einen mächtigen Kater vorgab. Alle Anzeichen, dass er sich diesen gerade soeben erfolgreich selbst zugefügt hatte, waren zuvor verschwunden.
„In deinem Alter habe ich auch oft über die Stränge geschlagen, Sohn“, erklärte sein Vater voller Verständnis. „Tobe dich ruhig noch ein bisschen aus. Solange deine schulischen Leistungen nicht darunter leiden, sei es dir gegönnt“
„Joachim“, tadelte ihn seine Mutter. „Du solltest nicht unter der Woche solche Partys feiern. Du musst doch morgen wieder fit sein. Und wie du wieder aussiehst, völlig derangiert.“ Sie schüttelte tadelnd den Kopf. „Besser ich rufe Gabriela an, so kannst du doch nicht herumlaufen. Deine Haare. Wenn dich jemand so sieht, wie wirkt das denn?“
Jo verzog bemüht lächelnd den Mund. Gabriela war die Visagistin seiner Mutter und etwas, wie ihre Vertraute. Fassadentechnisch war sie in der Lage, einfach alles zu richten. Er musste in der Tat schlecht aussehen, denn ehe er etwas tun konnte, hatte seine Mutter bereits ihr Handy gezückt und rief die Visagistin an.
Seufzend ergab sich Jo. Widerstand zwecklos. Es war leichter, es einfach über sich ergehen zu lassen, als seiner Mutter zu erklären, wie er sich gerade fühlte und dass sein Gesicht aus einem bestimmten Grund verheult und verquollen aussah. Eigentlich wollte er gar nicht, dass es anders aussah. Es kam ihm fast wie Verrat an seinen verrückten Gefühlen vor, wenn er wie das blühende Leben aussah, während in ihm alles in Scherben zerbrochen war.
Dennoch lag er nur eine Stunde später auf dem Stuhl und ließ die Behandlung über sich ergehen. Gabriela erzählte in einer Tour und wechselte sich nur mit seiner Mutter ab, die es sich nicht nehmen ließ, dabei zu sein, um den neuesten Tratsch von ihrer Reise nach Dubai beizusteuern.
Früher hätte es Jo durchaus interessiert. Früher hätte er auch die Behandlung genossen. Heute war es ihm lästig und er nutzte die Maske, um unter seinen Lidern wiederholt die Augen zu verdrehen.
War seine Mutter wirklich so oberflächlich? Waren alle diese Menschen um ihn her wirklich nur daran interessiert, was wer, wann, von wem getragen, gesagt, gezeigt hatte?
Plötzlich erschien ihm alles sinnlos, seine ganze Luxuswelt unwichtig. Wichtig waren ihm nur diese melancholischen, dunklen Augen, die er ewig lange nicht mehr gesehen hatte.
Die lapidaren Gespräche, die durchaus entspannende Behandlung und der Alkohol taten ihre Wirkung und ließen ihn bald schon wegdämmern. Er wachte erst auf, als Gabriela ihn vorsichtig am Arm rüttelte.
„Herr Bergenfeld Junior? Wir sind soweit fertig.“ Sie lächelte ihn geschäftsmäßig an. Seufzend rappelte Jo sich etwas benommen hoch. Sein Gesicht fühlte sich frisch und gut an. Der Rest hingegen nicht.
Seine Mutter stieß einen verzückten Laut aus. „Ah, so sieht er wieder wie mein Sohn aus. Ist er nicht stattlich?“ Verzückt strich sie Jo über die blonden Haare.
Ihre Visagistin pflichtete ihr natürlich sofort bei. Jo verzog gutmütig den Mund zu einem Lächeln, welches ein wenig gequält wirkte, allerdings weder von seiner Mutter noch Gabriela bemerkt wurde.
„Joachim“, rief seine Mutter ihn zurück, als er rasch verschwinden wollte. „Liebling, ich dachte du würdest dich freuen, dass wir gleich ins „Episode“ essen gehen. Sie haben da eine neue Lachskreation, die müssen wir probieren. Meine Freundin Brigitte schwärmte von dem neuen Koch. Das können wir uns nicht entgehen lassen.“
Eigentlich wollte Jo klar und deutlich sagen, wo sie ihn mal könnte. Sich als braves Sohn-Schmuckstück vorführen zu lassen, war mit das Letzte, auf das er gerade Lust hatte. Allerdings brachte Jo es nicht über sich, dermaßen aus der Rolle zu fallen. Zu lange schon spielte er sie.
„Ich sage deinem Vater Bescheid. Ziehe dich doch
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