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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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anscheinend vermißt und war aus dem Hause entwischt. Jetzt kam er mit schiefgelegtem Kopf unsicher über den Hofplatz und legte sich sofort Mikael, der stehengeblieben war, zu Füßen nieder. Er beugte sich nieder. »Wem gehört eigentlich dieses kleine Kerlchen?« fragte er mit zärtlicher Stimme. »Gehört er Euch?«
    »Ach, der«, sagte der echte Graf mühselig. »Lebt der immer noch? Das ist ein mißglücktes Exemplar, der sollte nicht am Leben bleiben.«
    »Aber er ist so eine liebe kleine Seele«, wandte Mikael ein. »Seele? Welch ein eigentümlicher Ausdruck in Zusammenhang mit einem Hund. Also der ist nun wirklich zu nichts zu gebrauchen. Als man uns gefangennahm, wollten wir ihn gerade totschlagen.« Mikael wurde ganz bedrückt.
    Birgitte und den Diener zu überrumpeln war eine einfache Sache. Eine Drohung mit dem Gewehr reichte aus. Die anderen beiden waren ja schon außer Gefecht gesetzt. Mikael erhielt den Befehl, einen schwedischen Offizier und zwei Soldaten zu holen, die sich der Eindringlinge annehmen konnten.
    »Und wie kann ich Euch danken, junger Mann?« fragte der Gutsbesitzer, als Mikael sich auf den Weg machen wollte.
    Er war nur noch müde. Birgitte, das einzige Mädchen, zu dem er sich jemals hingezogen gefühlt hatte, wollte er nicht mehr sehen. Alle seine Gefühle waren verschwunden, hatten sich in Staubkörner aufgelöst, deren letzten Reste ein leichter Wind fortblasen konnte.
    »Ich brauche keinen Dank. Vertragt Euch nur wieder mit Euer Gattin, dann bin ich schon zufrieden.« »Mit meiner was?«
    »Ja, oder wer auch immer sie ist. Die Besitzerin dieses Gutshofes.«
    Der Graf runzelte die Augenbrauen. Im gleichen Moment rief Birgitte:
    »Aber Mikael, Liebster, das kannst du doch nicht machen. Ich bin unschuldig, verstehst du das nicht? Ich wußte von nichts, hatte keine Ahnung!«
    Er warf ihr einen letzten Blick zu. Aber sein Verlangen war tot und würde nicht wieder zum Leben erwachen. Und mehr als Verlangen war es nie gewesen, das sah er jetzt ein. Er hatte sie gebraucht, so wie ein Rüde im Frühling ein Weibchen braucht. Und das hatte er für Liebe gehalten.
    Mikael war nicht der einzige in der Geschichte der Menschheit, der diese beiden Begriffe miteinander verwechselt hatte.
    Schnell verneigte er sich vor dem jungen Grafen und verschwand. Er wollte so schnell wie möglich weg von hier!
    In der Halle saß der junge Hund bedrückt an der Wand und sah ihn mit großen Augen verständnislos an. »Mach's gut, kleiner Freund«, flüsterte er mit einem Kloß im Hals und ging schnell weiter.
    Vor der Haustür blieb er unschlüssig stehen. Ein unruhiges Gefühl rührte sich in seiner Brust.
    Er drehte sich um, ging zurück in die Halle und nahm den Hund wie zum Trotz hoch.
    »Kann sein, wir brauchen einander, du und ich«, flüsterte er.
    Als sei es die natürlichste Sache der Welt kuschelte der Hund sich an seine Schulter.
    Natürlich durfte er im Lager kein Hundebaby haben! Aber das kümmerte ihn im Augenblick nicht. Jetzt wollte er tun und lassen, was er wollte, jetzt, wo er alle Menschen gleichermaßen haßte.
    Nicht unerwartet traf er auf halbem Weg zum Tor die Dame. Bei ihrem Anblick ergriff ihn die Wut, hatte er doch die Ereignisse im Keller nicht vergessen. Sie lächelte ihn an. »So trennen sich unsere Wege, Mikael.«
    »Wunderbar!« sagte der brutal. »Wie ich sehe, habt Ihr keine Verwendung mehr für mich.«
    »Eine schwache, zerbrechliche Frau braucht manchmal Hilfe, um ihr Eigentum zu bewahren. Und du hast auch Leben gerettet, nicht wahr?«
    Doch, das mußte er eingestehen. Auch wenn er beinah zwei andere ausgelöscht hätte.
    Sie sah ihn träumerisch an. »Wenn ich nur wüßte, wer du bist, Mikael. Jemanden wie dich habe ich nie zuvor getroffen.« »An mir ist nichts Merkwürdiges dran!«
    »Doch, das ist es! Mehr als du glaubst. Doch nun leb wohl! Und - fahr' nach Hause, junger Freund! So schnell du kannst!«
    »Lebwohl«, sagte er gemessen.
    Leicht wie eine Feder berührte sie seinen Arm, drehte sich um und ging zurück zum Haus, das riesengroß im dunklen Morgengrau dalag. Mikael hob den Kopf. Wildgänse?
    Nein, es war dieser eigenartige, klagende Laut vom Himmelszelt, den er schon früher über dem Dorf in der endlosen Ebene vernommen hatte. Er wußte nicht, woher der Ton kam, ob der Wind in den Baumkronen sang, oder ob es das Echo von etwas in der Ferne war. Es brachte Wehmut mit sich, umhüllte ihn mit Schwermut und endete in langen, absterbenden Akkorden. Ein sonderbares

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