Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
sich die Mühe gemacht, jedes dritte Haar einzufärben. Die Heilerin hatte ihre Haare im Nacken zu einem dicken Zopf geflochten, der von einem bunten Lederband zusammengehalten wurde. Sie trug den üblichen schlichten, hellgrauen Arbeitskittel der Dorfbewohner und eine grüne Schürze, deren unzählige Flecken verrieten, dass sie gerade im Garten gearbeitet hatte.
»Tassea!«, rief Iowen erleichtert aus und trat der Heilerin entgegen. »Ich hatte schon Angst, Ihr wäret nicht zu Hause. Ilahja ist krank. Wir brauchen dringend Eure Hilfe! Kommt schnell!« Sie winkte der Heilerin zu, sie zum Wagen zu begleiten. Tassea folgte ihr ohne zu zögern, während sie eilig versuchte den gröbsten Schmutz von ihren Händen an der Schürze abzuwischen.
Am Wagen angekommen legte sie ihre Hand besorgt auf Ilahjas Stirn. Gleichzeitig ertastete sie mit drei Fingern den Pulsschlag am Hals des Mädchens. Dabei machte sie ein ernstes Gesicht. »Wie lange geht es ihr schon so?«, wollte sie wissen. »War sie heute Morgen schon krank?«
»Nein«, antwortete Iowen. »Sie war zwar noch etwas müde und schlecht gelaunt, als wir losfuhren, aber gewiss nicht krank. Sie hat auch gleich mit dem Pflügen angefangen.«
»Und dabei ist sie wohl unglücklich gestürzt und hat das Bewusstsein verloren«, setzte Nagika den Bericht ihrer Freundin fort. »Aber wir wissen es nicht genau, denn Iowen war eingeschlafen und ich habe gearbeitet.«
Die Heilerin machte ein nachdenkliches Gesicht. »Zunächst müssen wir sie ins Haus bringen. Dort kann ich sie besser untersuchen«, sagte sie und eilte auf das Haus zu. Als sie kurz darauf wieder herauskam, hielt sie in ihren Händen eine einfache Trage. »Ihr müsst mir jetzt helfen«, sagte sie und stellte die Trage auf dem Boden vor dem Wagen bereit. Dann nickte sie Iowen zu und bedeutete ihr, Ilahja in den Kniegelenken festzuhalten, während sie selbst das Mädchen unter den Schultern fasste. Vorsichtig hoben Tassea und Iowen Ilahja vom Wagen herunter, legten sie sanft auf die Trage und brachten sie ins Haus.
Die Luft in dem einzigen großen Raum des Hauses war angefüllt mit dem starken Duft der verschiedenen Kräuter, die in dicken Bündeln unter der Decke zum Trocknen aufgehängt waren. Es brannten keine Öllampen, aber das Sonnenlicht reichte aus, um den behaglich eingerichteten Raum zu erhellen.
»Dort hinüber.« Die Heilerin deutete mit einem Kopfnicken auf ein Lager dicht am Kamin, in dem noch ein kleines Feuer brannte, um auch die letzte Kälte des Winters aus dem Raum zu vertreiben. Ilahja stöhnte gequält auf, als die beiden Frauen sie etwas unsanft auf das harte, mit frischem Leinen bezogene Bett aus Heidekraut und Farnen legten, erwachte aber nicht. Bevor Tassea sich gründlich die Hände wusch, schichtete sie schnell ein paar neue Holzscheite auf die Glut und schürte das Feuer mit einem eisernen Haken. Bald darauf sprangen die kleinen Flammen auf der Feuerstelle Funken sprühend in die Höhe und in dem kleinen Raum wurde es gemütlich warm.
»Wenn ihr warten wollt, setzt euch dort drüben an den Tisch«, forderte Tassea die beiden Mädchen auf und deutete auf einen Tisch am Fenster. »Ich will jetzt sehen, wie ich eurer Freundin helfen kann.« Sie ging zu Ilahja hinüber und begann behutsam die dicke Arbeitskleidung des Mädchens zu öffnen.
Plötzlich hielt sie in ihrer Arbeit so abrupt inne, dass Iowen und Nagika besorgt aufsprangen, es aber nicht wagten, näher an das Lager heranzutreten. Gütige Göttin! Die Heilerin konnte nicht glauben, was sie sah. Dieses Mädchen erwartete schon sehr bald ein Kind! Tassea kannte An-Rukhbars strenge Gesetze und konnte sich gut vorstellen, welche Ängste Ilahja in den vergangenen Mondläufen ausgestanden haben musste. Wie hatte sie ihren Zustand nur so lange verbergen können?
Eine Bewegung am Fenster riss Tassea aus ihren Gedanken. Nagika war jetzt doch besorgt näher getreten und die Heilerin musste handeln. Sicher wussten die beiden nichts von den Umständen, in denen sich ihre Freundin befand. Sie wandte sich den Mädchen so zu, dass sie ihnen die Sicht auf Ilahja versperrte, und lächelte. »Ihr könnt beruhigt wieder an die Arbeit gehen«, sagte sie betont sachlich, um sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. »Macht euch keine Sorgen. Ilahja ist nichts Schlimmes passiert. Eure Freundin braucht nur etwas Ruhe. Ich werde ihr einen Tee bereiten, der sie wieder munter macht. Wenn sie sich dann ein oder zwei Sonnenläufe schont, kann sie
Weitere Kostenlose Bücher