Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
zurück. Tha-Ury fürchtete, ihre Pflegetochter niemals wiederzusehen.
Am späten Vormittag war mehr als ein Dutzend Krieger in das Dorf gekommen. Auf ihren Rüstungen prangte das Wappen einer schwarzen Schlange mit grünem Kopf, die ihren Leib um ein blutiges Schwert wand. Jeder, der sie sah, wusste sofort, dass es sich bei ihnen um Angehörige des Schlangenordens, der am meisten gefürchteten und gehassten Einheit unter den Kriegern An-Rukhbars, handelte. Wo immer sie auftauchten, hinterließen sie eine Spur aus Tod und Verderben, und sie waren dafür bekannt, dass sie selbst die grausamsten Befehle rücksichtslos und ohne Gnade ausführten.
Im Zentrum des Dorfes stiegen sie von ihren Pferden, durchsuchten jedes Haus und trieben die Bewohner auf dem Dorfplatz zusammen. Als sie feststellten, dass alle arbeitsfähigen Männer und Frauen auf den Feldern bei der Ernte waren und sich nur noch die Alten und Kinder im Dorf befanden, befahl ihr Hauptmann einem der älteren Männer, die Krieger zu den Feldern zu führen. Doch bevor sie das Dorf verließen, ergriffen seine Krieger wahllos zwei ältere Mädchen und zwei Jungen und nahmen die verzweifelt schreienden Kinder mit sich, als sie ihrem Hauptmann folgten.
Bei dieser Erinnerung begann Tha-Ury unwillkürlich zu zittern. Ohnmächtig und hilflos mussten die Dorfbewohner mit ansehen, wie die Kinder fortgebracht wurden. Sie sollten nicht die Einzigen bleiben, die die Krieger verschleppten. Wieder dachte sie voller Sorge an Ilahja, doch die einsetzende Dunkelheit hielt sie davon ab, nach ihr zu suchen. Seit An-Rukhbar das Land beherrschte, wagten es nur noch wenige Menschen, sich des Nachts im Freien aufzuhalten, denn fremdartige und unheimliche Wesen strichen im Schutze der Dunkelheit durch das Land. Nur wenn es sich wirklich nicht vermeiden ließ, verließen die Bewohner der Dörfer in der Dunkelheit ihre Hütten.
Eine Bewegung im Mondlicht erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte die Dunkelheit auf dem Weg zu durchdringen. Das musste Ilahja sein. Tha-Urys Herz machte einen Sprung, als sie sie in Begleitung von Tassea endlich den schmalen Weg zu ihrer Hütte heraufkommen sah. Als die beiden Frauen nur noch wenige Schritte von dem kleinen Haus entfernt waren, öffnete sie die Tür und lief ihnen entgegen. Überglücklich schloss sie ihre Pflegetochter in die Arme. Tränen der Erleichterung liefen über ihre Wangen, als sie Ilahja fest an sich drückte und ihr liebevoll über das Haar strich. »Ich bin ja so froh, dass dir nichts passiert ist«, sagte sie mit zitternder Stimme. »So viele schreckliche Dinge sind geschehen. Aber kommt erst einmal herein.«
Ilahja setzte sich sofort erschöpft auf einen Stuhl, doch Tassea wollte ihren Mantel nicht ablegen, obwohl es sehr warm war und ihr Hund sich bereits schläfrig vor dem Herdfeuer zusammengerollt hatte. »Was ist passiert?«, fragte sie.
Mit Tränen in den Augen schilderte Tha-Ury die Ereignisse des Nachmittags. Dabei zitterte sie so stark, dass Ilahja sich erhob und sie tröstend in den Arm nahm.
»Vier Kinder?« Tassea war sichtlich entsetzt. »Und wie viele haben sie noch mitgenommen?«
»Acht!« Tha-Ury wischte ihre Tränen mit dem Ärmel fort. »Und sie haben eines der Felder niedergebrannt. Ihr Hauptmann soll gesagt haben, dass wir es nicht mehr brauchten, weil wir nun weniger Mäuler zu stopfen hätten.« Sie drückte Ilahja fest an sich. »Ach Kind, ich hatte ja solche Angst, dass sie dich auch…« Tha-Ury seufzte und verstummte.
»Der Schlangenorden!«, sagte Tassea kopfschüttelnd. »Ich habe schon Ähnliches aus anderen Dörfern gehört, aber zwölf Menschen aus einem einzigen Dorf, so viele haben sie noch nie geholt!«
»Warum haben sie das getan?«, fragte Tha-Ury traurig. »Wir haben doch nichts verbrochen. Und die Kinder…« Erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie konnte nicht weitersprechen.
»Ich weiß es nicht.« Die Heilerin hob bedauernd die Schultern. »Ich weiß nur, dass die Krieger sie in die Festungsstadt bringen. Von dort ist noch kein Gefangener zurückgekehrt.«
»Mutter, was ist mit Kjelt, Nagika und Iowen?«, fragte Ilahja ängstlich.
»Ihnen geht es gut«, sagte Tha-Ury und streichelte beruhigend über Ilahjas Hand. »Aber wieso weißt du das nicht? Du warst doch den ganzen Tag über mit ihnen zusammen.«
»Ilahja ist krank.« Nur zu gern ergriff Tassea die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. Die Zeiten waren hart und ungerecht. Und
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