Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
geheimnisvollen rothaarigen Mädchen seiner Träume zu forschen. In den ersten Nächten überflog er im Schutze der Dunkelheit nur ein kleines Gebiet in unmittelbarer Nähe seiner Höhle. Er hatte Angst, denn er wusste von den unheimlichen Dienern An-Rukhbars, die zur Nachtzeit im Land umherstrichen. Aber die Gegend in diesem Teil des Gebirges war karg und unbewohnt und er erkannte, dass er noch viel weiter fliegen musste, wenn er auf menschliche Ansiedlungen stoßen wollte.
Doch auch die Menschen waren ängstlich und hielten sich nach Einbruch der Dunkelheit im Schutze ihrer Häuser auf. Nur selten erblickte der große Vogel einen einsamen Wanderer oder einige Hirten, die um ein wärmendes Feuer saßen. Dennoch dachte der Riesenalp nicht daran, aufzugeben. Die Träume hatten seinem Leben wieder einen Sinn gegeben und er würde so lange suchen, bis er das Mädchen gefunden hatte.
Ein plötzlicher Schrecken durchzuckte den Riesenalp und riss ihn aus seinen Gedanken. Ohne es zu bemerken hatte er mit seinen Flügelspitzen die oberen Äste einiger Baumkronen gestreift. Mit wenigen kräftigen Flügelschlägen gewann er wieder an Höhe. Dann setzte er seinen nächtlichen Flug über den Teil eines Waldes fort, der nicht weit entfernt an einen niedrigen Gebirgszug grenzte. Schon bald hatte er das dichte Blätterdach des Waldes hinter sich gelassen und glitt langsam über die sanften, grünen Hügel der Vorberge hinweg. Die Gegend hier war ihm fremd und er beobachtete mit seinen scharfen Augen aufmerksam die Landschaft unter sich. Die zahlreichen Felder und Wege unter ihm wiesen auf eine menschliche Ansiedlung ganz in seiner Nähe hin. Der Riesenalp entschloss sich, einem der Wege ein Stück zu folgen. Schließlich erblickte er nicht weit entfernt die Lichter eines Dorfes und flog darauf zu.
Die Bewegung auf einer Lichtung nahe des Dorfes war zwar kaum sichtbar gewesen, hatte aber ausgereicht, um seine Neugier zu wecken. Fast geräuschlos suchte sich der große Vogel einen geeigneten Landeplatz auf einem kräftigen Ast am Rande der Lichtung. Der Ast knackte Besorgnis erregend unter seinem großen Gewicht, doch die beiden Frauen, die unter ihm über die mondbeschienene Lichtung auf das Dorf zugingen, unterhielten sich miteinander und hörten es nicht. Nur der zottige, braune Hund, der den Frauen vorauseilte, kehrte um und schickte ein drohendes Knurren in die Dunkelheit der Baumkronen hinauf.
Eine der Frauen beugte sich zu ihm hinunter, streichelte seinen Köpf und redete beruhigend auf ihn ein. Als sie sich wieder erhob, rutschte ihr das Tuch, welches sie zum Schutz gegen die nächtliche Kälte über dem Kopf trug, hinunter. Leuchtend rote Haare kamen darunter zum Vorschein und flossen wie ein Strom geschmolzenen Kupfers über ihren Rücken, während sie ihren Weg im Mondlicht fortsetzte.
Aufgeregt reckte der große Vogel seinen Kopf, um besser sehen zu können, doch die Frauen hatten das Ende der Lichtung schon fast erreicht und kehrten ihm den Rücken zu.
War sie die Frau aus seinen Träumen?
Der Riesenalp brannte darauf, ihr Gesicht zu sehen.
Es war nur ein leiser und kurzer Ruf, den er aussandte. Doch in der Stille der Nacht verfehlte er seine Wirkung nicht. Die Frau mit den kupferroten Haaren drehte sich erschrocken um und blickte ängstlich in die Dunkelheit der Baumkronen hinauf. Geradewegs in die Augen des Riesenalps. Sie sah ihn nicht, doch für den großen Vogel gab es nun keinen Zweifel mehr. Die junge Frau dort unten auf der Lichtung trug dieselben Gesichtszüge wie das Mädchen aus seinen Träumen. Sie musste es sein! Aber im Gegensatz zu dem Mädchen aus seinen Träumen trug sie die Kleidung einer einfachen Bäuerin und war ganz sicher keine Kriegerin.
Nachdem die beiden Frauen die Lichtung verlassen hatten, saß der Riesenalp noch lange auf dem Ast und dachte nach. Er konnte nicht glauben, dass er die falsche Frau gesehen hatte, denn dafür war die Ähnlichkeit mit dem Mädchen aus seinen Träumen viel zu groß, selbst wenn die Frau keine Kriegerin war.
Die erste zarte Morgenröte hinter den Bergen zwang ihn schließlich dazu, sich wieder auf den Weg in seine Höhle zu machen. Aber er würde wiederkommen.
5
Ungeduldig und voller Sorge saß Tha-Ury im Mondlicht hinter einem der kleinen Fenster ihres Hauses. Angestrengt blickte sie den dunklen Weg entlang, der zu ihrem Haus führte, und wartete. So viel Schreckliches war seit dem Morgen geschehen und Ilahja war noch immer nicht
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