Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer

Titel: Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
sagen könnt, ob sich unter den Gefangenen in den Zellen noch ein Seher befindet?« Der Kerkermeister antwortete nicht sofort. Umständlich versuchte er in aller Eile seine ungepflegte Uniform zu ordnen, hatte jedoch wenig Erfolg damit, denn trotz seiner verzweifelten Bemühungen und dem trüben Licht ließ sich ihr schlechter Zustand noch immer deutlich erkennen.
    »Nun antwortet schon!« Ungeduldig schlug Tarek mit der flachen Hand auf den Tisch. »Gibt es hier unten einen Seher oder nicht?«
    Der Kerkermeister räusperte sich und begann unsicher zu sprechen: »Einer ist noch da. Es könnte sogar sein, dass er noch am Leben ist. Aber macht Euch nicht zu viele Hoffnungen. Der sitzt schon seit elf Sommern hier. Mit solchen Gefangenen ist meistens nicht mehr viel los.«
    »Bring mich sofort zu ihm!«, befahl Tarek. Er hatte nicht daran geglaubt, dass in diesem Kerker noch ein Seher am Leben war. Nun war er umso ungeduldiger, ihn endlich befragen zu können. Mit dem Kerkermeister und einem der Wachsoldaten machte er sich auf den Weg zu dem Gefangenen.
    Unten im Zellengewölbe wurde der Gestank beißend und unerträglich. Hier vermischte sich der unangenehme Geruch von Schimmel und Moder mit dem widerlichen Gestank von Exkrementen und Tod. Je tiefer sie in das Gewölbe vordrangen, desto schlimmer wurde es. Tarek kämpfte gegen die aufkommende Übelkeit an und konnte plötzlich gut verstehen, dass der Dienst im Kerker unter seinen Befehlshabern eine beliebte Strafe für ungehorsame Soldaten war.
    Endlich machte der Kerkermeister vor einer der halb vermoderten Zellentüren Halt, die offensichtlich nur noch von einigen rostigen Eisenstangen zusammengehalten wurde.
    »Wir haben sie schon lange nicht mehr geöffnet«, entschuldigte er sich, während er umständlich nach dem passenden Schlüssel suchte.
    »Also essen tut er noch«, beeilte er sich zu sagen und deutete auf eine kleine Klappe im unteren Teil der Tür, wo in einer hölzernen Schale die Reste einer Mahlzeit standen. Allerdings konnte Tarek den Essensresten, auf die der Kerkermeister ihn aufmerksam machte, beim besten Willen nicht ansehen, ob sie erst seit gestern oder schon seit einigen Sommern dort lagen.
    Im selben Moment, als der Kerkermeister den Schlüssel im Schloss herumdrehte, erleuchtete der erste grelle Blitz den pechschwarzen Himmel über Nimrod, gefolgt von wütendem Donnergrollen. Doch die Männer in dem Gewölbe bemerkten nichts davon. Tarek nahm eine der rußenden Fackeln aus ihrer Halterung. »Ich werde allein hineingehen«, erklärte er und bückte sich, um die Zelle zu betreten.
    Der Gestank im Innern der Zelle war unerträglich. Tarek hielt die Fackel mit einer Hand und bedeckte mit der anderen gleichzeitig Mund und Nase, musste jedoch feststellen, dass es für ihn keine Möglichkeit gab, dem beißenden Geruch zu entkommen, ohne dabei zu ersticken. Im schwachen Licht der Fackel blickte er sich in der Zelle um. Das Bild, das sich ihm bot, verschlug ihm die Sprache. Angewidert unterdrückte er den Impuls, auf der Stelle kehrtzumachen und diesen Ekel erregenden Ort weit hinter sich zu lassen.
    Die Zelle war winzig klein und ohne jedes Licht. Außer einer kleinen Tonschale, in der die Gefangenen ihr Essen erhielten und vor der sich gerade zwei Ratten um die Reste der letzten Mahlzeit stritten, gab es in diesem Raum nur noch ein halb verrottetes, mit feuchtem Moos bewachsenes Brett. Es war an einer der Wände befestigt und diente dem Gefangenen als Schlafplatz. Auf diesem Brett saß ein verwahrloster alter Mann mit langem, verfilztem Bart und schütteren, weißen Haaren. Er war blind und starrte Tarek mit weit geöffneten Augen an. Den obersten Kriegsherrn beschlich für einen Moment das unheimliche Gefühl, dass der Alte ihn bereits erwartet hatte.
    Am meisten überraschte Tarek jedoch die Haltung des Mannes. Sie zeugte von einer Würde, wie er sie noch nie bei einem Gefangenen gesehen hatte. Offensichtlich hatten selbst die vielen Sommer in dieser menschenunwürdigen Umgebung es nicht geschafft, den Stolz des Alten zu brechen.
    »So hat Euch Eure Verzweiflung endlich zu mir geführt«, begann der Seher mit heiserer Stimme. »Der mächtige Tarek ist ratlos und sucht die Antworten auf seine quälenden Fragen bei einem Todgeweihten.«
    Wie konnte der Gefangene das wissen? Verwirrt suchte Tarek nach den richtigen Worten. Er war sich jetzt so sicher wie nie zuvor, dass der Alte die Antworten auf seine Fragen kennen musste. Es würde ihn auch nicht

Weitere Kostenlose Bücher