Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Pferde.«
Als die letzten Lichter in den Häusern neben der Scheune erloschen, wagten sich Vhait und Kerym aus ihrem Versteck und schlichen lautlos zur Scheune hinüber. Das Tor war verschlossen. Aber an der hinteren Wand fanden sie einige verwitterte, lose Bretter, die sie mühelos entfernen konnten.
Im Stall war es dunkel. Es roch streng nach altem Stroh und Pferdemist. Schnaubende Geräusche deuteten darauf hin, dass sich gleich mehrere Pferde in der baufälligen Scheune befanden. Die Tiere hatten die Eindringlinge längst bemerkt und waren unruhig geworden.
Vhait und Kerym hatten Glück. An der Wand gegenüber den Pferdeboxen fanden sie das Zaumzeug. Kurz entschlossen wählten sie zwei Pferde aus und legten ihnen die Halfter an. Kerym hielt beide Tiere fest am Zügel, während Vhait zum Scheunentor schlich. Leise öffnete er eines der beiden Tore und spähte aufmerksam hinaus.
To und Yu erhoben ihr Antlitz gerade über dem Wald und ihr fahles Licht erhellte durch einen dünnen Wolkenschleier den Platz vor der Scheune. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Das ganze Dorf lag noch in tiefem Schlaf.
Vorsichtig trat Vhait auf den Hof hinaus und sah sich um. Dann gab er Kerym das Zeichen, ihm mit den Pferden zu folgen. Die Tiere schnaubten gereizt und das Geräusch ihrer eisenbeschlagenen Hufe klang verräterisch laut auf dem gepflasterten Hof.
Rasch führte Kerym die Pferde auf den sandigen Weg und reichte Vhait die Zügel eines der Tiere. Ohne zu zögern schwang sich der junge Hauptmann auf den Rücken des Pferdes. Auch Kerym wollte aufsitzen, doch dabei schrammten seine schweren Stiefel schmerzhaft über den Rücken des Pferdes. Laut wiehernd bäumte es sich auf und galoppierte in das Dorf hinein.
Mit der nächtlichen Ruhe war es vorbei. Ganz in der Nähe begann ein Hund zu bellen. Ein weiterer stimmte ein. In den umliegenden Häusern wurden Lichter angezündet. Und während Kerym inmitten der Häuser verzweifelt versuchte, sein scheuendes Pferd zu beruhigen, wurden die ersten Türen geöffnet. Unzählige Männer kamen heraus und liefen auf Kerym zu. Viele waren mit Sensen und Spitzhacken bewaffnet, die sie wütend über ihren Köpfen schwangen.
»Kerym!« Vhait brüllte vergeblich. Seine Stimme ging in dem allgemeinen Geschrei einfach unter. Auch die Bauern hatten ihn noch nicht bemerkt. Ihre ganze Wut richtete sich allein gegen Kerym. Innerhalb weniger Augenblicke hatten sie den jungen Krieger eingekreist und ihm den Weg versperrt. Zornig hieben sie auf Kerym ein und nur die wirbelnden Hufe des Pferdes hielten die aufgebrachten Bauern noch davon ab, sich ganz auf ihn zu stürzen.
An eine Flucht war nicht zu denken. Vhait konnte seinen Kameraden nicht im Stich lassen, auch wenn er sich selbst damit in große Gefahr brachte. Jede Vorsicht missachtend, trat er seinem Pferd in die Flanken und preschte los.
Die Bauern bemerkten ihn erst, als sich die schweren Hufe seines Pferdes rücksichtslos ihren Weg durch die Menschenmenge bahnten. Wem es nicht gelang, sich im letzten Augenblick durch einen Sprung zur Seite zu retten, wurde einfach niedergeritten.
Die gellenden Schreie der Verletzten trieben die Menschen auseinander und sorgten für ein heilloses Durcheinander. Die Bauern hörten auf, Kerym zu bedrängen. Verwundert sahen sie sich um und versuchten einzuschätzen, mit wie viel neuen Angreifern sie es plötzlich zu tun hatten.
Vhait wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb. Sobald die Bauern erkannten, dass er allein und unbewaffnet war, war er verloren. Auch sein Pferd wurde immer nervöser. Mit einem letzten großen Satz gelangte er neben Kerym, sah aber aus den Augenwinkeln, dass sich die entstandene Lücke in der Menschenmenge bereits wieder schloss.
»Kerym, schnell!«, brüllte er und deutete auf die Lücke. Der junge Krieger verstand sofort. Die Gegenwart des zweiten Pferdes schien sein eigenes Tier zu beruhigen und endlich gelang es ihm, sein Pferd wieder zu führen. Mit großen, weit ausgreifenden Sätzen folgte er Vhait durch die tobenden Menschen, hinaus aus der tödlichen Falle. Als er die Bauern schon fast hinter sich gelassen hatte, ließ ein gut gezielter Sensenhieb sein Pferd durchgehen.
Kerym musste all seine Kraft darauf verwenden, sich auf dem Rücken des gepeinigten Tieres zu halten. In rasendem Galopp preschte er an Vhait vorbei, der den nahen Wald schon fast erreicht hatte, und verschwand in der Dunkelheit. Erst tief im Wald wurde sein Pferd langsamer und blieb bald erschöpft
Weitere Kostenlose Bücher