Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
ihnen nichts geschehen.«
»Ich stamme aus dem Süden. In meinem Heimatdorf wird man uns gewiss willkommen heißen. Ihr könnt Euch auf mich verlassen, ehrwürdiger Druide!« Liadana erhob sich, verneigte sich kurz und machte sich auf den Weg.
Anthorks Blicke folgten ihr, bis sie zwischen den schwelenden Trümmern verschwunden war. Die seltsamen Visionen gaben ihm viele Rätsel auf, doch er spürte, dass er richtig gehandelt hatte. Dieses Mädchen durfte nicht sterben. Die Deutung der anderen Visionen würde warten müssen, bis die Schlacht vorbei war. Mit einem leisen Seufzer stand er auf, straffte sich und wandte sich den anderen Druiden zu.
»Wir haben den Brand gelöscht, doch es ist uns nicht vergönnt zu ruhen«, sagte er bestimmt.
»Folgt mir. Die Männer auf den Zinnen bedürfen unserer Hilfe. Ich fürchte, ohne Magie ist Nimrod verloren.«
»Naemy! Sieh nur, das Feuer ist erloschen!« Erleichtert deutete Shari hinunter auf die Festungsstadt. Gemeinsam mit Glamouron, Naemy und Fedeon hockte die junge Elfe in luftiger Höhe auf einem Vorsprung der steil aufragenden Felswand, an die sich Nimrod mit der rückwärtigen Seite schmiegte, und beobachtete die Schlacht aus sicherer Entfernung. Der verheerende Brand, der soeben noch unmittelbar hinter den Festungsmauern gewütet und fast einen ganzen Stadtteil vernichtet hatte, hatte sie in Atem gehalten, bis er plötzlich mit einem Schlag erstorben war.
»Ja, du hast Recht.« Naemy nickte, ohne den Blick vom Heer der Angreifer abzuwenden. »Die Magie der Druiden vermag große Dinge zu bewirken, doch auch sie wird ihnen nicht helfen können. Sieh nur, wie schnell sich die Zahl der Riesenalpe verringert!«
»Bei den Toren!« Shari, die lange Zeit nur auf das Feuer gestarrt hatte, schlug erschrocken die Hand vor den Mund. »Es sind nicht einmal mehr halb so viele in der Luft wie zu Beginn des Angriffs. Wo sind die anderen? Hundert Riesenalpe können doch nicht so einfach . . . «
»Doch, das können sie.« Naemy machte sich nicht die Mühe, die Schrecken der Schlacht vor den anderen zu beschönigen. Sie wusste nur zu gut, was dort unten vor sich ging; die Erinnerungen an den Fall Nimrods hatten sich ihr tief in die Seele gegraben. Sie brauchte nur die Augen zu schließen, um wieder den durchdringenden Geruch von Blut, Asche und verbranntem Fleisch in der Nase zu spüren und die lähmende Erschöpfung zu fühlen, die sich gegen Ende der Schlacht unter den Verteidigern breit gemacht hatte.
Irgendwo dort unten auf den Zinnen stand in diesem Augenblick die junge Naemy und verschoss den immer dünner werdenden Vorrat an Pfeilen auf die schwarzen Krieger, während die Hoffnung, die sie in die Riesenalpe gesetzt hatte, angesichts all der sterbenden Vögel schwand.
10
Naemy seufzte und verscheuchte die bedrückenden Gedanken an ihre eigenen Erlebnisse, indem sie den Blick über die Ebene schweifen ließ. Unzählige glimmende Punkte in der Masse der schwarzen Krieger zeugten nicht nur von den vielen unglücklichen Opfern der gnadenlosen Schlacht, sondern auch von dem Heldenmut, mit dem sich die Riesenalpe dem zahlenmäßig weit überlegenen Gegner entgegenwarfen. Sie spürten, dass die erschöpften Verteidiger dem Ansturm des Heeres nichts mehr entgegenzusetzen hatten, und wüteten unter den Angreifern, doch Naemy wusste, dass der todesmutige Einsatz der Riesenalpe lediglich die Schlacht hinauszuzögern, nicht aber das Unabwendbare zu verhindern vermochte.
»Letivahr!« Glamouron, der den hundertfachen Tod bisher in hilflosem, verzweifeltem Schweigen beobachtet hatte, zuckte zusammen und krümmte sich wie unter heftigen Schmerzen.
»Was ist mit dir?« Naemy war sofort bei ihm und berührte ihn besorgt an der Schulter.
»Letivahr wurde getroffen. Er. . . er leidet. Ich spüre es. Ah, verdammt. Ich wünschte, ich wäre bei ihm.« Tränen der Verzweiflung schimmerten in Glamourons Augen, und er ballte die Fäuste.
»Das kannst und darfst du nicht.« Naemy ergriff Glamourons Hand und sah ihn eindringlich an.
»Es würde alles verraten. Das wäre das Ende.«
»Letivahr fliegt zurück in die Höhlen der Kuriervogel«, fuhr Glamouron fort, als hätte er Naemys Worte nicht gehört. Die Augen zum Himmel gerichtet, blickte er starr geradeaus, als könnte er den geliebten Riesenalp irgendwo dort oben fliegen sehen. »Er hat furchtbare Schmerzen.«
Glamourons Stimme bebte, als wäre er selbst schwer verletzt. »Sein Flügel . . . die Pfeile . . . Oh, das
Weitere Kostenlose Bücher