Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
erwartete, hoffnungslos überlastet. Die meisten der Frauen hatten mehrere Sonnenläufe nicht geschlafen und sich nur wenig Zeit für ein paar karge, kalte Mahlzeiten genommen; sie gönnten sich keine Ruhe und kämpften verbissen um das Leben der Schwerverletzten. Oft vergeblich. Viele der Verteidiger Nimrods hatten in der Schlacht grauenhafte Wunden davongetragen und so viel Blut verloren, dass den Heilerinnen nichts anderes übrig blieb, als für sie zu beten.
Der Vorrat an Verbänden und heilenden Salben war längst aufgebraucht, und die neuen Herrscher von Nimrod zeigten keinerlei Neigung, die menschenunwürdigen Zustände in den überfüllten Gewölben zu verbessern. Die einzige Unterstützung, die es seitens der Eroberer gab, bestand im Abtransport der Toten. Freiwillige Helfer schafften die Verstorbenen in die Gänge vor dem Gewölbe. Von dort wurden sie von den Cha-Gurrlinen zu gewaltigen Gruben gebracht, die man außerhalb der Festungsstadt ausgehoben hatte, um der Leichenflut Herr zu werden.
»Welch abscheulicher Gestank!« Angewidert presste Asco-Bahrran die Hand auf den Mund und blickte voller Abscheu auf ein halbes Dutzend lebloser Körper, die man achtlos neben das große Tor zum Gewölbe der Heilerinnen geworfen hatte. Unmittelbar nachdem der Thron fertig gestellt worden war, hatte sich der Magier auf den Weg zu den Heilerinnen gemacht, um sich nach dem verletzten Elfenkrieger zu erkundigen, der ihm wertvolle Hinweise für die Suche nach den geflohenen Nebelelfen geben konnte.
Asco-Bahrran hatte das Pentagramm, mit dessen Hilfe die Nebelelfen geflohen waren, lange und gründlich untersucht, war jedoch nicht dahinter gekommen, wohin es führte. Zum ersten Mal ärgerte er sich darüber, dass er sich in der Vergangenheit nicht näher mit dem Phänomen der Zwischenwelt beschäftigt hatte, deren Wege allein den Nebelelfen offen standen und die für Menschen nur in Begleitung eines kundigen Nebelelfen zu nutzen waren. Das Pentagramm mit den verschlungenen Zeichen gab ihm viel zu viele Rätsel auf, als dass er den Flüchtigen hätte folgen können. So blieb der Gefangene für ihn die einzige Möglichkeit zu erfahren, wohin die Elfen geflohen waren. Und die Zeit drängte. Wenn er überhaupt noch Gelegenheit finden wollte, die Flüchtlinge einzuholen, musste er schleunigst wissen, wohin sie gegangen waren, und er hoffte inständig, dass der Elf bereits das Bewusstsein wiedererlangt hatte.
Schwungvoll öffnete Asco-Bahrran die Tür zum Gewölbe der Heilerinnen, wünschte sich jedoch sogleich, es nicht getan zu haben. Noch bevor er einen Fuß in den Raum setzte, schlug ihm ein Übelkeit erregender Gestank nach Blut, Eiter, Fäulnis und Exkrementen entgegen und nahm ihm den Atem. Er hustete und würgte und spielte einen Augenblick lang ernsthaft mit dem Gedanken, auf dem Absatz kehrtzumachen. Dann aber besann er sich, kämpfte die aufkommende Übelkeit nieder und trat auf eine Heilerin zu, die einem Verwundeten gerade ein wenig Wasser einflößte.
»Wo ist der Elf?«, herrschte er sie an.
»Der Elf?« Die Heilerin verstand nicht sofort. Sie war klein und von rundlicher Statur. Ihr grauer Kittel war über und über mit verkrustetem Blut befleckt, und auch die Hände trugen eine abstoßend rotbraune Farbe. »Der Elf?«, fragte sie noch einmal, um Zeit zu gewinnen, und stellte die Wasserschale ab. »Welcher Elf? Wir haben hier viele Verletzte, die . . . «
»Der Elf, den die Cha-Gurrlinen-Krieger gestern Nacht hierher brachten«, grollte Asco-Bahrran ungeduldig. Er wünschte sich, diesen entsetzlichen Ort des Elends endlich verlassen zu können, und ärgerte sich maßlos über den beschränkten Verstand der Heilerin, die ihn unnötig hier festhielt.
»Ach, der Elf.« Das Gesicht der Heilerin hellte sich auf. »Er ist dort hinten. Folgt mir.« Mit langsamen Schritten, als wäre sie zu Tode erschöpft, führte die Heilerin den Magier durch ein Heer in Lumpen gehüllter Gestalten, die mehr tot als lebendig auf dem Fußboden kauerten.
Asco-Bahrran versuchte, nicht auf die geschundenen und verstümmelten Körper zu achten, doch es gab keinen richtigen Weg, und er war gezwungen, bei jedem Schritt darauf zu achten, wohin er seinen Fuß setzte. Das war bei der schlechten Beleuchtung jedoch nicht ganz einfach. Zweimal trat er mit den kunstvoll bestickten Stiefeln in eine Pfütze frischen Blutes, und einmal wäre er fast über den Leichnam einer jungen Frau gestolpert, die ihn mit blicklosen Augen und halb geöffnetem
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