Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
sollte.
Zum Glück kam mir Kanehira zu Hilfe. Er erzählte dem Fürsten, dass er eine Nadel aus einem seiner Glücksknochen gefertigt hätte und dass er diese Nadel aufbewahren werde, bis sie beide alt und grau wären, um sie seinen Enkeln zu zeigen.
Ich betrachtete meine Hand, als hätte Yoshinaka dort ein Zeichen hinterlassen.
Da er noch immer geschwächt war, schlummerte er wenig später wieder ein. Ihn im Schlaf zu sehen erweckte ein bisher nicht gekanntes Glücksgefühl in mir – und Fürsorge. Zunächst hielt ich es für Gefühle, die eine Schwester gegenüber ihrem älteren Bruder empfand. Aber es war etwas anderes. Ich erschrak und versuchte daraufhin, mich abzulenken, indem ich die Kräutertöpfchen sortierte und meine Naginata polierte.
Am darauffolgenden Tag ging es dem Fürsten erneut ein Stück besser, und ich konnte nun miterleben, wie aus dem grimmigen Kanehira, der mich noch vor drei, vier Tagen am liebsten in Stücke gerissen hätte, ein Mann wurde, der scherzen und lachen konnte und der sich sogar dazu hinreißen ließ, mir einige Schwünge mit seinem Schwert zu zeigen. Der Fürst bestand darauf, aufgesetzt zu werden, damit er uns durch das Fenster zusehen konnte – ein Wunsch, der mir nicht behagte, denn ich wusste, dass ich mit dem kurzen Schwert alles andere als gut war. Also blamierte ich mich sehenden Auges vor Yoshinaka und hörte sein Lachen, worüber ich allerdings nicht böse sein konnte. Es war das schönste Lachen, das ich je von einem Mann gehört hatte, und das tröstete mich ein wenig über meine eigene Schmach hinweg.
Am Abend saßen wir dann beisammen, und Yoshinaka ließ sich dazu hinreißen, ein paar Geschichten aus seiner Kinderzeit zum Besten zu geben. Die Geschichte, wie er zum ersten Mal ein Pferd bestiegen und von ihm abgeworfen worden war, gefiel mir besonders gut. Ermutigt, ebenfalls eine Geschichte zu erzählen, berichtete ich von meinem alten, halb blinden und halb tauben Pferd Musa, das es mir erst ermöglicht hatte, meinen stolzen Hengst Akihiko zu reiten.
»Eine gute Geschichte«, meinte der Fürst, obwohl ich das ganz und gar nicht fand. »Sie zeigt, dass wir das vermeintlich Schwache nicht unterschätzen sollen. Alles hat seinen Platz im Leben und kann mit der Weisheit, die es verbreitet, selbst einen Stärkeren in den Schatten stellen.«
In der Nacht wurde ich von einem seltsamen Geräusch geweckt. Zunächst war ich mir nicht sicher, ob ich es geträumt hatte, doch als ich die Augen öffnete und das Geräusch wiederkehrte, wusste ich, dass wir nicht allein waren. Es war nicht mehr als ein leises Knarzen im Holz, so wie es der Wind verursachte, wenn er an einer Hütte rüttelte. Aber draußen ging kein Wind.
War die Kitsune hier? Nein, das Gefühl, das ich jetzt hatte, war ein ganz anderes als das neulich. Ich spürte echte Gefahr, und tatsächlich, kaum hatte ich mich auf meinem Lager herumgedreht, sah ich einen Schatten am Fenster vorbeihuschen. So schnell, dass er innerhalb eines Lidschlages verschwunden war. Und es dauerte nur ein paar Sekunden, bis die Tür so leise zurückgeschoben wurde, dass man es für den Atemhauch eines Schlafenden halten konnte.
Ich hielt den Atem an und spannte unter meiner Decke die Muskeln. Der Angriff mit den Shuriken fiel mir wieder ein. Seitdem war schon einige Zeit vergangen, dennoch fühlte ich mich einem möglichen Kampf nicht gewachsen. Wo blieb nur Hiroshi? Würde er wieder auftauchen, wenn es wirklich gefährlich wurde?
Ich kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. Der Schattenkrieger schlich zum Lager des Fürsten.
»Die Schattenkrieger!«, schrie ich und sprang von meinem Lager hoch. Der Schatten stürmte auf mich zu, und ehe ich michs versah, blitzte eine Klinge vor mir auf. Sofort sprang ich zur Seite, wo meine Naginata lag. Dabei hörte ich, wie mein schattenhafter Angreifer ins Leere stach, Kanehira sprang mit einem wütenden Kriegsschrei ebenfalls vom Lager und ließ sein Schwert durch die Luft sausen. Ich hörte ein ersticktes Stöhnen, dann einen Körper, der zu Boden fiel. Anscheinend hatte der Krieger einen von ihnen getötet. Doch es waren drei! Und der Schattenkrieger, der mich verfehlt hatte, wollte sein Versehen nun wiedergutmachen.
Erneut stürmte er auf mich zu, schneller, als ich reagieren konnte. Eine Klinge schrammte über meinen Arm, und ich konnte nur daran denken, dass er mich vergiftet hatte. Dann bekam ich meine Naginata zu fassen und stieß die Klinge in den Schatten. Ein Widerstand
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