Die Sanddornkönigin
wir es kurz machen könnten. Sie haben doch von unserem großen Gala-Abend morgen gehört…«
»Kommt ganz auf Sie an, Herr Cromminga.«
»Ich werde mein Bestes geben.«
Sanders schaute den Koch skeptisch an. Er schien clever zu sein, und das schien er auch zu wissen. Und solche Gesprächspartner erwiesen sich oft als harte Nuss.
»Hatten Sie privat und beruflich mit Frau Polwinski zu tun?«
»Ja, in beiderlei Hinsicht. Privat bin ich mit ihr ein paar Mal aus gewesen, zumindest am Anfang ihrer Zeit hier. Als sie sich dann immer besser mit meinem Stiefvater verstand, ist der Kontakt zwischen uns abgeflaut.«
»Warum?«
»Es hatte keine weltbewegenden Gründe. Dass ich meinen Stiefvater nicht besonders gern mag, ist ja allgemein bekannt, und so kollidierte ihr Kontakt mit ihm ein wenig mit unserem guten Verhältnis. Aber es war keine Eifersucht oder Ähnliches im Spiel, falls Sie darauf ansprechen.«
»Das hatte ich nicht vor.«
»So ganz glaube ich Ihnen das nicht.« Cromminga lächelte ihn direkt an, sein Selbstbewusstsein war unverschämt. »Ronja Polwinski war eine schöne Frau, ganz ohne Zweifel. Doch sie war sich dessen zu bewusst und hat für meinen Geschmack zu sehr damit kokettiert. Das war schade, denn sie war außergewöhnlich intelligent und gebildet, manchmal hatte ich den Eindruck, dass ihr gutes Aussehen diese viel wertvolleren Eigenschaften in den Hintergrund gedrängt hat.«
»Und wie kamen Sie beruflich mit ihr zurecht?«
»Sie hatte viel Ahnung von Psychologie, von der Erwartungshaltung der Gäste und den Problemen des Personals und so weiter, sie hatte viel Ahnung von Touristik, von Werbemaßnahmen und Logistik, ja, sie hatte verdammt viel in ihrem hübschen Kopf. Aber in der Küche war sie eine Niete. Sie konnte noch nicht einmal ein Spiegelei braten und schmeckte keinen Unterschied zwischen Lamm und Wild. Hätte sie sich aus meiner Arbeit herausgehalten, dann wäre alles in Ordnung gewesen. Leider meinte sie aber, auch hier ihren Senf dazugeben zu müssen, so sind wir öfter mal aneinander geraten.«
»Wollte sie Ihnen Vorschriften machen?« Cromminga schüttelte lachend den Kopf. »Das hätte sie nie gewagt. Aber sie konnte sehr belehrend sein.« Sanders sagte einen Moment lang gar nichts. Er wusste, dieser Cromminga hatte es eilig, er sah, wie sein Gegenüber auf dem Stuhl hin und her rutschte. Ungeduld war ein bewährter Helfershelfer auf dem Weg zur Wahrheitsfindung.
Leider spielte Cromminga nicht mit.
»Sie werden mich sicher gleich nach meiner Mutter fragen. Ich habe keine Ahnung, wo sie steckt. Gestern war ich auf der Suche, so um die drei Stunden lang, leider ohne Erfolg.«
Sanders tat ihm nicht den Gefallen, etwas zu erwidern.
»Und da wir gerade bei meiner Mutter sind: Mein Verhältnis zu ihr ist gut, wenn auch zurzeit durch ihre Krankheit und meinen Stress bedingt etwas auf Eis gelegt. Ich trage es ihr nicht nach, dass sie mich nach ihrer Hochzeit mit Felten bei ihren Eltern zurückgelassen hat, da sie mir ansonsten immer zur Seite stand, wie es sich für eine anständige Mutter gehört.«
»Wie sah das denn aus?«
Cromminga zögerte einen kleinen Augenblick.
»Als ich damals das Restaurant meines Vaters, ›Die Auster‹ , übernahm, hat sie mir bei der Renovierung geholfen. Sie hat sämtliche Tischdecken, Servietten und Gardinen genäht, heimlich, müssen Sie wissen.«
Sanders horchte auf.
»Ihr Mann durfte davon nichts wissen, mein Stiefvater hätte mir bei meinem beruflichen Fortkommen am liebsten wortwörtlich in die Suppe gespuckt, ihm war ›Die Auster‹ ein Dorn im Auge. Ich würde sagen, zum Teil aus Neid, zum Teil aus Rivalität. Jedenfalls weiß er bis heute nicht, dass Mutter hinter seinem Rücken mehrere hundert Meter Leinenstoff für die Konkurrenz genäht hat. Es wäre auch besser, wenn es so bliebe.«
»Und warum sind Sie jetzt ausgerechnet bei ihm in der Küche angestellt?«
»Ich konnte den Laden meines Vaters nicht halten, leider. Wissen Sie, wie die Menschen sind? Wenn die Geflügelleberpastete im Restaurant um die Ecke einen Euro weniger kostet, dann gehen sie dort hin, egal, wie sehr das arme Tier gestopft und gequält wurde.«
»Könnte es sein, dass Ihre Ansprüche zu hoch waren?«
»Bitte, Herr Kommissar, erzählen Sie mir nichts über Ansprüche. Ich habe mein Lehrgeld bezahlt, nun habe ich hier meine Arbeit, und ich bin dabei, es wieder zu schaffen, wieder dort anzukommen, wo ich in der ›Auster‹ den Löffel abgeben musste. Thore
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