Die Sanddornkönigin
dem, was er sagt, nach dir richtet?«
Eine kurze Weile war es still im Raum hinter der Bühne, dann zischte ein bitteres Lachen aus Feltens Mund.
»Verfolgungswahn ist wohl auch so eine Psychose von dir.«
»Wenn mein Psychotherapeut weiß, wo mein Badezimmer ist, ohne vorher mit mir in unserer Wohnung gewesen zu sein, dann werde ich trotz dieser Hammerpillen, die er mir verordnet hat, hellhörig. Und wenn mir seine Sekretärin von euren freundschaftlichen Treffen als alte Schulkameraden erzählt, ich von Gronewoldts akuten Geldsorgen erfahre und mich dann wieder daran erinnere, dass das ›Dünenschloss‹ mir und nur mir allein gehört, dann kommt mir ein sehr konkreter Verdacht, mein Lieber.«
»Erzähl mir von deinen Hirngespinsten, Hilke…«
»Auch wenn es das Schäbigste ist, was man einem Menschen antun kann und ich meinen Töchtern absolut keinen Vater wünsche, der zu so etwas imstande ist, denke ich, du wolltest mich für unzurechnungsfähig erklären lassen, um im Hotel weiter schalten und walten zu können, wie es dir gefällt.«
»So ein Schwachsinn. Du bist krank, Hilke, es ist noch schlimmer, als ich befürchtet hatte. Du hast dich doch seit Jahren schon für nichts mehr interessiert, warum sollte ich mit dieser Situation nicht einfach zufrieden sein und dich in Ruhe lassen?«
Feltens Stimme klang in Sanders’ Ohren nicht mehr annähernd so beherrscht und sicher wie noch vor ein paar Minuten auf der Bühne. Nur seine Frau ließ sich nicht beirren, ihre Worte waren gefasst und klar.
»Vielleicht wolltest du immer mehr? Noch mehr Geld ausgeben für die Erfüllung deines Traums vom Luxushotel auf Juist. Das hätte ich nicht zugelassen, du weißt es. Ich hätte zu verhindern gewusst, dass du sämtliche Sicherheiten unserer Familie, unserer Kinder auf eine Karte setzt.«
»Ja, weil du halt keinen Sinn fürs Geschäft hast. Wenn alles nach dir gegangen wäre, dann säßen wir immer noch in diesem muffigen Zwei-Sterne-Hotel mit Etagendusche und Essensgeruch in den Tapeten.«
»Vielleicht wolltest du mich auch einfach loswerden? Mich, den ewigen Klotz am Bein, diese graue Maus ohne einen Funken Ehrgeiz…«
Jetzt hatte sie ihn so weit. Sanders glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Diese Hilke Felten-Cromminga zog mit ihrem eigenen Ehemann ein Verhör durch, das es in sich hatte. Nur noch ein paar Minuten, und er hätte das Mordgeständnis, ohne einen Finger krumm gemacht zu haben.
»Du wolltest mich eintauschen gegen eine wie Ronja Polwinski, ist es nicht so? An ihrer Seite ist dir erst bewusst geworden, was bei mir fehlt.«
»Soll ich anfangen, es aufzuzählen?«
»Nein danke, das kannst du mir mal aus dem Knast schreiben, wenn sie dich eingelocht haben. Da hast du viel, viel Zeit, dir zu überlegen, ob es so gut war, die Geliebte gleich mit aus dem Weg zu räumen, als sie anfing, dein schäbiges Spiel zu durchschauen.«
»Ja, klar. Ich werde dir dann einen langen Brief zukommen lassen mit all den Details. Wie sie Mitleid mit dir hatte, weil ich so berechnend mit dir umging. Wie sie kurz erschrak, dass sie auf einmal so müde wurde von dem Getränk, in das ich deine Schlaftabletten gemixt hatte. Willst du all diese Schauerlichkeiten wirklich wissen? Du bist verrückt, Hilke, du bist hoffnungslos verrückt.«
Es war still, der Musiker hatte aufgehört zu spielen, höflicher Beifall setzte ein. Sanders schob sich an der Wand entlang, hinter einem Rednerpult konnte er sich verstecken, dann kam der Künstler schon nach hinten, schob den Vorhang zur Seite und betrat das Hinterzimmer.
»Verzeihen Sie, wir gehen selbstverständlich sofort«, hörte er Felten sagen. »Es wird Zeit, den ersten Gang anzusagen.« Sanders schaute ein kleines Stück hinter dem Pult hervor, Felten musste schon gegangen sein, seine Frau stand noch hinter dem Vorhang und richtete sich vor einem halbblinden Spiegel das Kleid. Sie sah weder erschüttert noch triumphierend aus, vielleicht nur ein wenig traurig. In Sanders Augen sah sie ganz und gar nicht so aus wie eine Frau, die ihrem Mann soeben ein Mordgeständnis entlockt hatte.
Vorspeise
W encke hatte Hilkes Einzug mit Genugtuung vom Foyer aus beobachtet. Bereits im kleinen Nähatelier war eine Verwandlung mit dieser Frau geschehen, die ihr den Atem genommen hatte. Eben waren sie noch wie zwei Kriminelle durch die Dünen zum Hotel geschlichen, hatten nach links und nach rechts geschaut, als wären sie auf der Flucht. Sie waren dabei, sich möglichst unauffällig direkt
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