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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Yuan suchen wir einen Attentäter!«
    Die Gnädige Frau lacht auf und sagt in spöttischem Ton: »Herr Truppenführer, mein Großvater mütterlicherseits, Zeng Guofan, hat an vorderster Front gekämpft. Doch die Anstandsregeln hat er dabei nie verletzt. Seit wann dürfen Soldaten in die privaten Gemächer einer Frau eindringen? Exzellenz Yuan scheint mir beim Drill seiner neuen Armee alle guten Sitten zu vergessen!«
    »Euer ergebener Diener bittet um Entschuldigung für die Störung.«
    »Was heißt hier ›Störung‹? Ihr macht doch sowieso, was ihr wollt. Hätte meine Familie noch ihre alte Macht bei Hofe, würdet ihr euch niemals so kläglich aufführen!«
    »Das sind sehr strenge Worte, gnädige Frau. Aber ich bin Soldat und habe meine Befehle auszuführen.«
    »Ruft ihn bitte einmal her, Euren Vorgesetzten Yuan Shikai, ich werde eine Erklärung von ihm verlangen. Hat man so etwas schon erlebt! Mitten in der Nacht Soldaten in die Gemächer einer Frau zu schicken und unseren guten Ruf in den Schmutz zu ziehen! Wer ist denn Yuan Shikai? So jemand nennt sich ein Minister der Großen Qing-Dynastie! Hat er etwa keine Frau? Das Sprichwort sagt: ›Einen Edlen kann man töten, aber nicht beleidigen; eine anständige Frau kann man töten, aber nicht entehren‹. Ich werde mich Herrn Yuan Shikai widersetzen, bei meiner Ehre!«
    Draußen nähern sich hastige Schritte, und jemand sagt leise: »Der Präfekt kommt.«
    Die Frau des Präfekten bricht in lautes Weinen aus.
    Der Präfekt kommt ins Zimmer gestürmt und ist ganz durcheinander: »Gnädige Frau, ich bin untröstlich, wie konnte ich zulassen, daß sie dich so erschrecken!«

4.
    Nachdem der Truppenführer und seine Leute vertrieben, Fenster und Türen geschlossen und die Kerzen gelöscht worden sind, dringt nur noch das Mondlicht durch die Fensterläden herein und erhellt einen Teil des Zimmers. Ich steige von dem Bett herab und sagte leise: »Ich danke der gnädigen Frau dafür, daß sie mein Leben gerettet hat. In meinem nächsten Leben werde ich Euch mit Vergnügen als Lasttier dienen.«
    Damit erhebe ich mich und will gehen. Doch sie zieht mich am Ärmel zurück. Ich sehe ihre Augen im Dunkeln leuchten und rieche den Zimtduft ihres Körpers. Das erinnert mich an den großen Zimtbaum im Hof der Dritten Halle. Zum Mittherbstfest, wenn der Zimtbaum golden leuchtet, sollen Mann und Frau einander zuprosten und den vollen Mond bewundern. Mir ist solches Glück nicht vergönnt, und Traurigkeit überkommt mich, wenn ich an die Stunden der Liebe denke, die ich hier einst erlebte. Warum muß das alles vorbei sein? Alle sagen sie, mein Vater hätte Unruhe über das Land gebracht. Wenn man mich fragt, sind die Unruhestifter die deutschen Besatzer, die unser Land mit ihrem tyrannischen Verhalten beuteln. Wenn ich an meinen Vater denke, überkommen mich wieder Trauer und Unruhe. Ach, Vater, du sturer alter Bock! Um dich zu retten, habe ich mir die Füße wund gelaufen, die Bettler haben sich die Nächte um die Ohren geschlagen, Kleiner Berg sitzt im Kerker, der Achte Zhu setzte alles aufs Spiel, und nun sind einige der Bettler deinetwegen gestorben. Wir haben so viel Energie in diese Befreiungsaktion investiert, und kurz vor dem Ziel mußt du deinen Mund aufreißen und herumzetern ...
    »Du kannst jetzt noch nicht gehen«, unterbricht die Frau des Präfekten meinen Gedankenstrom. Ich bemerke, daß sich der Lärm im Hof noch nicht beruhigt hat, immer wieder sind Rufe der Soldaten zu hören. Ich bleibe unter der Decke und verhalte mich still.
    Der Präfekt kommt herein, er selbst wird auf Anordnung Yuan Shikais die Gefangenenwache übernehmen, höre ich. Ich kann immer noch nicht fassen, daß ich gerade um Haaresbreite dem Tod entkommen bin. Der Truppenführer und die Soldaten sind weg. Die Präfektin steht auf und macht Licht. Im Schein des mit roten Wachstropfen überzogenen Kandelabers stelle ich fest, daß ihr Gesicht von der Aufregung oder vor Ärger ganz gerötet ist. Ich höre sie kühl sagen: »Ich habe mir erlaubt, Eure Konkubine in Eurem goldenen Gemach zu verstecken!«
    Qian Ding wirft einen Blick aus dem Fenster, um zu sehen, was draußen vor sich geht, eilt zum Bett, hebt den Vorhang und sieht in mein Gesicht. Er läßt den Vorhang sofort wieder fallen. Ich höre ihn flüstern: »Gnädige Frau, Eure Großmut ist unermeßlich, und Ihr wißt Euren Verstand zu gebrauchen. Ich bin gerührt und dankbar.«
    »Sollen wir sie wegschicken oder hierbehalten?«
    »Das

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