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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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bis zum Grund des Bottichs reichte. Der Sekretär wies auf ein paar vereinzelte weiße Haare, die auf der Oberfläche trieben, und sagte: »Verehrte Schwester, habt Ihr es gesehen? Sagt der Öffentlichkeit ehrlich, was Ihr beobachtet! Wenn wir es sagen, zählt es nicht, doch was Ihr sagt, zählt. Also sagt uns, wer der Sieger und wer der Verlierer ist.«
    Sun Meiniang zögerte einen Moment. Sie sah das angestrengte Gesicht des Vaters und seine blutunterlaufenen Augen, die sich voller Hoffnung auf sie richteten. Doch dann traf ihr Blick auf die schönen, ausdrucksvollen Augen Qian Dings, dessen Blick zu ihr hin schweifte. Ihr Mund war wie von einer klebrigen Substanz versiegelt. Nach weiterem Drängen des Sekretärs und des Lizentiaten Dan sagte sie schließlich mit tränenerstickter Stimme: »Seine Exzellenz hat gewonnen. Mein Vater hat verloren ...«
    Die beiden Köpfe flogen nach oben, die Bärte wurden aus dem Wasser gezogen und geschüttelt, so daß es nach allen Seiten hin regnete. Die beiden Bartwettstreiter sahen einander in die Augen. Sun Bing war außer sich, er schnaufte tief und schwer; Seine Exzellenz lächelte, entspannt und ungerührt.
    »Sun Bing, hast du noch etwas zu sagen?« fragte der Präfekt mit einem feinen Lächeln.
    Sun Bings Lippen bebten, aber er sagte kein Wort.
    »Gemäß unserer Übereinkunft, Sun Bing, mußt du dir jetzt den Bart ausreißen!« Und Qian Ding fuhr fort: »Hast du deine Lektion gelernt? Willst du immer noch rebellische Reden schwingen?«
    Sun Bing strich sich mit beiden Händen über den Bart und sandte einen Stoßseufzer zum Himmel. »Also gut, wohlan, weg mit dieser seidenen Quelle des Unheils!« Dann packte er einen Strang seiner Barthaare, riß sie mit einem kräftigen Ruck aus und schleuderte sie zu Boden. Das Blut rann ihm vom Kinn. Doch als er mit dem nächsten Strang weitermachen wollte, fiel seine Tochter Meiniang vor dem Präfekten auf die Knie. In ihren Augen standen Tränen. Ihr bezauberndes, pfirsichblütengleiches Gesicht war unwiderstehlich. Sie hob den Kopf und flehte den Präfekten mit süßer Stimme an: »Exzellenz, verschont meinen Vater ...«
    Der Präfekt von Gaomi senkte die Lider, und auf seinem Gesicht machte sich Erstaunen breit, er schien erfreut und gerührt zu sein. Er bewegte leicht die Lippen und sagte fast unhörbar: »Du ...«
    »Steh auf, meine Tochter.« Auch in Sun Bings Augen wallten die Tränen auf, als er mit gesenkter Stimme sagte: »Man bittet nicht auf solche Art ...«
    Qian Ding schien für einen Moment wie erstarrt zu sein, dann brach er in ein fröhliches Gelächter aus. Als er sich beruhigt hatte, sagte er: »Hättet Ihr wirklich gedacht, daß ich von Sun Bing verlangen könnte, sich den ganzen Bart auszureißen? Auch wenn er heute verloren hat, sein Bart sucht seinesgleichen in dieser Welt. Es wäre zu schade, wenn er ihn sich ausrisse! Wenn ich mich auf diesen Kampf mit ihm eingelassen habe, dann nur, um ihm die Flausen auszutreiben, aber auch, um die Herrschaften hier ein wenig zu unterhalten. Sun Bing, ich vergebe dir und erlasse dir die Strafe. Behalte das, was von deinem Bart übrig ist, und gehe zurück zu deiner Schauspielerei!«
    Sun Bing kniete nieder und schlug die Stirn auf den Boden.
    Die Menge brach in grenzenlosen Jubel aus.
    Die Ehrenmänner der Präfektur ergingen sich in fortgesetzten Komplimenten.
    Sun Meiniang kniete weiter auf dem Boden und konnte ihren Blick nicht von dem betörenden Antlitz Qian Dings abwenden.
    »Werte Tochter aus dem Hause Sun, Ihr seid unvergleichlich. Ihr habt den Körper einer Frau, doch den Charakter eines Mannes, das ist in der Tat eine Seltenheit.« Seine Exzellenz Qian wandte sich an den für die Finanzen zuständigen Sekretär: »Gebt ihr ein Pfund Silbergeld als Entschädigung!«

Kapitel 6:
Der Fußvergleich

1.
    Wie eine entblößte Schönheit hing der Vollmond leuchtend und blütenweiß am Firmament. Gerade hatte der Gong die dritte Doppelstunde der Nacht verkündet und die Kreisstadt lag in vollkommener Stille. Der angenehm frische Wind der Sommernacht brachte das Aroma von Pflanzen und Tieren mit sich und schien den Himmel mit einem blütenbestickten, zarten Schleier zu überziehen. Der nackte Mond beschien Sun Meiniang, die durch den Innenhof ihres Hauses wandelte. Auch sie trug nicht einen Faden am Leib und ihre strahlende Nacktheit wetteiferte mit der des Mondes. Das Mondlicht war wie ein Fluß, und sie war ein silberner Fisch, der darin badete. Der Körper der jungen

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