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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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habe. Tja. Ich fasse mal für Sie zusammen: Bei einer falschen Antwort fallen Sie zurück auf fünfhundert, Sie können auch sagen, Sie gehen mit achttausend nach Hause. Bei einer richtigen Antwort haben Sie sechzehntausend, und die nächste ist Ihre Freischussfrage.«
    Die Antwort ist D, Brad Pitt, Katja wusste das sofort, Herr Müller und ich sowieso. Der Eumel auf dem Stuhl sagt aber A, Leonardo DiCaprio. 500 Euro und tschüss. Schnelle Auswahlrunde, neuer Kandidat, und schon ist Werbung. Wir schalten auf irgendein drittes Programm um, in dem auch ein Quiz kommt, das Frank Plasberg moderiert und bei dem Bernd Stelter am Ratepult steht.
    »Bernd Stelter ist mir irgendwie unsympathisch«, sagt Herr Müller.
    »Wer ist Bernd Stelter?«, fragt Katja.
    »Der Mann da im Fernsehen«, steuere ich bei.
    Katja nickt andächtig. Herr Müller setzt seine Ausführungen fort: »Immer wenn ich Bernd Stelter ansehe, stelle ich mir vor, dass er eine Minute am Stück furzt, sobald er unbeobachtet ist.«
    »Nein!«, schreie ich ungläubig.
    »Also, so schlimm ist das auch nicht«, sagt Herr Müller.
    »Ich meine nein im Sinn von krass, weil ich mir das auch immer vorstelle. Weil er so ein verkniffenes Knautschgesicht hat und man sich immer denkt, das ist nicht nur im Gesicht so. Und weil er so aufgepumpt wirkt und die Luft doch auch irgendwo hinmuss.«
    »Genau!«, ruft Herr Müller. Wir lachen zusammen. Katja wirkt irgendwie ängstlich.
    »Wow, Herr Müller. Ich hab mir schon immer gedacht, wenn Bernd Stelter zu Hause und allein ist, dann stellt er sich ans Fenster, breitet die Arme aus, entspannt sein Gesicht und alles andere und furzt eine Minute am Stück. Genau das hab ich immer gedacht! Aber das sagt man ja nicht, weil es eklig ist. Und jetzt sagst du es einfach so. Genial.«
    »Wir verstehen uns eben«, sagt Herr Müller und lacht gleich noch mal. »Der Stelter furzt sich immer ordentlich aus, bevor er ins Bett geht, das hab ich mir immer gedacht.« Er lacht noch lauter.
    Herr Müller lacht sonst eigentlich nie, sein Humor und seine Freude sind eher trocken. Es ist ein wirklich seltener Moment. Katja wirkt auch ganz irritiert, nimmt vorsichtshalber die Fernbedienung und schaltet zurück. Über Bernd Stelter haben wir Günther Jauch völlig vergessen. Über Bernd Stelter und der Feststellung, dass wir voll auf einer Wellenlänge liegen.
    »Ich hoffe, dass sie dich morgen anrufen«, sagt Herr Müller und scheint sich direkt dafür zu schämen. Das war das Emotionalste, was er jemals zu mir gesagt hat.
    Im Fernsehen ertönt die Schlusssirene.
    Mittwoch, 08.45
    Frau Oberhaid bemüht sich wie jeden Tag, ihre 20,76 Euro passend zusammenzubekommen und verbirgt ihr Gesicht im Kleingeldfach ihrer Geldbörse.
    »Zwanzig sechsundsiebzig sagen Sie, Paul?«
    »Ja, Frau Oberhaid, zwanzig sechsundsiebzig«, sage ich etwas genervt und bin sofort erschrocken über meinen Unterton. Ich bin nicht ganz anwesend, mindestens eine Gehirnhälfte habe ich seit der Teilnahmebestätigung an Günther Jauch verloren. Sie haben wirklich angerufen. Früher sogar als erwartet, drei Stunden vor Deadline. Wir haben dann sofort eine Flasche Sekt aufgemacht und gefeiert und meine Taktik besprochen. Zusatzjoker oder nicht, wen als Telefonjoker und so weiter. Ich bin ziemlich guter Dinge, aber es muss noch viel geregelt werden. Und ich mache mir jetzt ganz andere Arten von Sorgen. Was soll aus dem Laden werden, wenn ich wegen plötzlichen Reichtums kündigen muss? Am liebsten würde ich schon weiterarbeiten, aber einen Gewinn bei Wer wird Millionär kann man nun mal nicht vor seinen Mitmenschen verbergen. Die sehen das doch alle. Frau Oberhaid würde nicht mehr jeden Tag nach ihren zwanzig sechsundsiebzig fragen, sondern nach meinen fünfhunderttausend – oder was immer es werden wird. Keiner würde es verstehen, würde ich noch länger an der Kasse sitzen, statt mir teure Dinge und viel Freizeit zu leisten. Vielleicht sollte ich einfach den Laden kaufen. Ja, das ist DIE Idee, ich werde Pächter. So bleibe ich dem Laden weiter verbunden, kann vorbeischauen, wenn ich Lust dazu habe, mich sogar an die Kasse setzen oder Regale auffüllen. Solange »Geschäftsführer« auf meinem Namensschild stünde, hätte ich allen nötigen Respekt und eine enorme natürliche Autorität. Es würde mir große Sympathien im Dorf einbringen, wenn ich trotz meiner Position meine Kunden an der Kasse begrüßen würde. Zunächst mal müsste ich natürlich Namensschilder für die

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