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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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Ausschlusses verboten sind. Mit Sicherheit hatte Streit das auch überlesen.
    Der Raucher kehrte kurz darauf mit dem Beweisstück, Donna und zwei Security-Schränken zurück. Richart N. Streit war Minuten später Geschichte, lieferte aber einen dramatischen Abgang, bei dem er strampelte und sogar weinte, als er hinausgetragen wurde. Sein Begleiter folgte ihm ungebeten und raunte so etwas wie: »Ich wusste es, konnte ja nicht gutgehen.«
    Der Raucher nahm zufrieden Streits Platz ein und griff zum Handy, um seine Frau herbeizutelefonieren: »Das ist mir egal, ob du dir noch die Haare machen musst. In einer Stunde fängt die Aufzeichnung an. Die haben hier einen Frisör, der macht dich hübsch. Und zieh mir bloß nicht das blaue Kleid an. Alles, nur nicht das blaue Kleid!«
    Um 17 Uhr ging es dann in die Maske.
    Um 17.30 Uhr wurde das Publikum eingelassen, von irgendeinem Kasper unterhalten und auf hemmungsloses Klatschen eingestimmt – aufgewärmt, wie man wohl sagt, »gewarmupt«, sagte Donna.
    Um 17.55 Uhr kamen wir Kandidaten herein, einzeln, wurden jeweils mit großem Applaus empfangen und nahmen auf unseren Stühlen Platz. Seitdem rutsche ich hin und her und versuche, mich durch bewusstes Atmen zu beruhigen.
    Die Eröffnungsmusik wird eingespielt. Die Aufzeichnung beginnt.
    Herzlich willkommen zu »Wer wird Millionär«. Die Chance auf eine Million Euro haben heute diese fünf Kandidaten.
    Die Frau des Ex-Ersatzkandidaten ist rechtzeitig eingetroffen und sitzt mit einer schnittigen Welle im Haar und in einem blauen Kleid neben Katja in der zweiten Reihe hinter uns.
    Die Kamera vor mir zeigt Rotlicht. Ich freue mich, dass es endlich losgeht, ziehe die Mundwinkel nach oben und winke mit beiden Händen. »Paul Wildensorg. In seinem Tante-Emma-Laden sieht er die Preise voraus«, sagt der Off-Sprecher. Mundwinkel runter. Na super. Vorhin hatte ich Donna noch inständig gebeten, die Vorstellung zu ändern. Nur weil ich der dummen Kuh im Videointerview erzählt habe, dass Frau Oberhaid immer für zwanzig sechsundsiebzig einkauft und mein Laden nicht der größte ist – es gäbe ja wirklich Spannenderes über mich zu erzählen. Was denkt denn jetzt die Nation über mich? Da wäre mir »Er leidet unter einer Hornhautverkrümmung« lieber gewesen.
    Über den Ersatzkandidaten erfahre ich, dass er Otto heißt – »Er traf seinen Namensvetter Otto Waalkes im Flugzeug nach Malle.« Okay, es gibt noch dümmere Vorstellungen als meine, immerhin.
    Zu guter Letzt: »Sabine Füchsla. Sie ist Managerin einer sportlichen Großfamilie.« Als ob ich’s geahnt hätte. Sabine wedelt mit einem selbst gebastelten Fußballmaskottchen vor der Kamera herum. Ich glaube, Hauptbestandteil ist eine Kartoffel.
    »Und hier kommt Ihr Moderator. Hier ist Günther Jauch.« Dööö-dö-dömmm. Applaus. Johlen. Euphorische Pfiffe. Tatsächlich schlängelt sich Günther Jauch hinter der Deko hervor, jetzt geht es richtig los. Ich atme, als läge ich im Kreißsaal. Herr Jauch trägt nun einen braungrauen Schimmeranzug mit roter Krawatte und die Moderationskarten in der Hand. Der Applaus lässt kaum nach. Ob man das später ein bisschen rausschneidet? Ich bin dafür, geht ja alles von meiner Zeit ab.
    »Guten … Abend«, sagt Günther Jauch in seiner gedehnten Moderationsmanier, »und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Wer … wird …«, Blick auf die Karten, als wüsste er nicht, was folgt, »… Millionääär.«
    So allmählich beruhigen sich die Zuschauer. Hinter einer der Kameras fuchtelt ein Typ, vielleicht der Aufnahmeleiter, mit den Armen herum, um absolute Stille zu erzeugen. Günther Jauch zeigt sich völlig unbeeindruckt und moderiert routiniert weiter: »Wir starten direkt mit der ersten Auswahlfrageee.«
    In mir drin ist es auf einmal fünfzig Grad heiß. Woah. Es geht los. Ich krümme meinen Rücken und meine Arme vor mir wie Krallen, die Finger dicht über dem Touchscreen, und halte die Luft an. Noch ist nichts da, was man drücken könnte.
    »Die Frage ist aber einfach«, sagt Herr Jauch und prompt verschwimmt mir der Blick. Ich nehme eine Hand zurück und reibe mir mit Daumen und Mittelfinger die Augen. Dann ist die Frage da:

    Das ist wirklich einfach. Woher sollen die anderen das wissen? Ich drücke BDCA , logge ein und lehne mich zurück. Ich atme wieder aus. Wie viel Luft in so einen Körper passt, erstaunlich. Ich schaue nach links und rechts, nur Cordula ist noch nicht mit dem Drücken fertig. Irgendwie kann das

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