Die Satansbraut
Der
Spaziergang machte Spaß; der Pfad wand sich um riesige Bäume, und das
grüngefilterte Sonnenlicht gab mir das Gefühl, ich müsse gleich wie in Zeitlupe
loslaufen. Der Strand war so, wie Celestine ihn beschrieben hatte, der Sand
schimmerte golden und weiß und war nach beiden Seiten durch weit vorspringende
Felsen geschützt. Es war, als hätten wir den Pazifischen Ozean für ein paar
Stunden exklusiv gemietet. Wir zogen uns aus und gingen ins Wasser. Erst fror
ich erbärmlich, aber nachdem wir ein paar Minuten geschwommen waren, wurde uns
warm. Ich bin nicht die größte Schwimmerin der Welt, deshalb schwamm ich nicht
viel weiter, als ich noch im Wasser stehen konnte. Celestine hingegen schwamm
in weiten, mühelosen Stößen hinaus ins Meer, und ein Weilchen sah es aus, als
wolle sie geradewegs nach Australien. Als sie zurückkam, lag ich ausgestreckt
im Sand und ließ mich rösten, und sie legte sich neben mich.
»Junge, Junge!« Sie seufzte
zufrieden. »Das hat gutgetan.«
»Sind Ihnen auch ein paar Känguruhs begegnet?« fragte ich.
»Na klar«, sagte sie, ohne eine
Sekunde zu zögern. »Nur dachte ich, es seien Touristen. Ich meine, warum sonst
waren sie auf Hawaii? Mit Sonnenbrillen und bunten Hemden?«
»Mir ist dafür eine komische
kleine Alte begegnet«, vertraute ich ihr an. »Agatha.«
»Mit ihr ist das wie mit Ahmid «, sagte Celestine. »Sie gehört sozusagen zum
Inventar.«
» Ahmid muß man allerdings eines lassen«, murmelte ich. »Er sucht einen wenigstens
nicht mit dieser geballten Ladung von Prophezeiungen heim, bei denen einem die
Haare zu Berge stehen und das Blut in den Adern gerinnt.«
»Was hat sie denn geweissagt?«
Ich berichtete, was Agathe
verkündet hatte, und war heilfroh, daß die Sonne mich dabei so schön wärmte.
»Viel Sinn ergibt’s ja nicht, oder?« Celestine spielte mit dem linken großen Zeh im Sand. »Mir
gefällt allerdings eines nicht — das vom Verrat eines Menschen, der als Freund
erscheint. Ich hoffte, wir beide könnten uns anfreunden, aber wie sehe ich nun
aus?«
»Ich versuche mir dauernd
einzureden, daß sie nur eine verrückte alte Schachtel ist«, sagte ich. »Aber
wenn Sie ihren Blick gesehen hätten, als sie all die schrecklichen Dinge
sagte...«
»Sie war schon immer ein
bißchen komisch«, meinte Celestine. »Aber ich bin gewissermaßen mit ihr
aufgewachsen, und da habe ich mich schon als Kind an sie gewöhnt.«
»Sie waren immer hier im Haus
zu Besuch?«
»Fast jedesmal. Ich glaube, es
hat nach der Scheidung angefangen. Ich kann mich noch erinnern, wie sehr mein
Vater mir gefehlt hat, und damals hat meine Mutter mich zum erstenmal
hergebracht. Später, als ich acht oder neun war und Walter meist mit von der
Partie war, pflegten wir jedes Jahr für ein paar Wochen herzufahren.«
»Und Agatha war damals auch
hier?«
Sie nickte. »Sie und Ahmid . Ich habe mich nie viel um die beiden gekümmert. Sie
wissen doch, wie Kinder sind. Aber Ihnen geht’s hier wirklich schlecht, Mavis!
Erst hält Ihnen der Geist Alton Asquiths nächtliche
Vorträge, und dann auch noch Agatha mit ihren Sprüchen.«
»Ich bin mir immer noch nicht
sicher, ob es ein Geist oder ein Alptraum war«, meinte ich wahrheitsgemäß.
»Ich glaube nicht, daß Sie
geträumt haben«, sagte sie unvermittelt. »Aber ob’s ein Geist war, darüber
möchte ich mich noch nicht äußern. Ganz gleich jedenfalls, wer es war, er
wollte mir etwas
mitteilen.«
»Über Ihren Vater?«
»Vielleicht. Ich werde noch
dahinterkommen.«
»Wie denn?«
»Machen Sie sich keine
Gedanken, Mavis. Ich glaube zu wissen, wie ich es anfange, aber es kann nur
klappen, wenn ich es ganz allein versuche.« Sie legte sich auf den Rücken und
gähnte. »Für den Augenblick vergessen wir das Ganze am besten, ja? Die Sonne
scheint zu schön, da sollte man die Zeit besser nutzen, statt zu reden und sich
Sorgen zu machen.«
»Ich glaube, da haben Sie
recht«, meinte ich.
Ich legte mich auf den Bauch,
den Kopf auf die verschränkten Arme, und ließ mir den Rücken bräunen. Im Wasser
waren die letzten Spuren des Katers verflogen, und jetzt fühlte ich mich schön
wohl und ein bißchen müde.
Das nächste, was ich wußte: Ich
war mit einem Schlag aufgewacht. Einen Augenblick hatte ich schreckliche Angst
und dachte, ich habe mir womöglich einen schlimmen Sonnenbrand geholt, aber
meiner Haut war nichts dergleichen anzumerken. Ich blinzelte zum Himmel und
sah, daß die Sonne offenbar nicht viel höher stand als
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