Die Schandmaske
Gegenseitigkeit, nannte sie es. Solange sie die Uhren hatte, konnte sie sicher sein, dass ich den Mund halten würde. Und solange sie noch mein Eigentum waren, konnte ich ebenso sicher sein, dass sie den Mund halten würde. Sie waren schließlich eine Menge Geld wert, auch damals schon.«
Cooper runzelte verwirrt die Stirn. »Warum mussten Sie sich ihr Schweigen erkaufen? Was hätte sie denn über Sie sagen können?«
»Dies und das. Wir führten eine unglückliche Ehe, und wenn man sich damals scheiden lassen wollte, hieß das, vor aller Öffentlichkeit die schmutzige Wäsche zu waschen. Ihr Vater war Parlamentsmitglied, vergessen Sie das nicht.«
Sie erkl ärte sich bereit, mich nach Hongkong reisen zu lassen ... Eine merkwürdige Formulierung, dachte Cooper. Wie hätte sie ihn daran hindern können? »Hatten Sie sich irgendwie strafbar gemacht, Mr. Gillespie? Waren die Uhren eine Art Gegenleistung dafür, dass Ihre Frau die Polizei aus dem Spiel ließ?«
Er zuckte die Achseln. »Schnee von gestern.«
»Was hatten Sie getan?“
»Schnee von gestern«, wiederholte James Gillespie starrköpfig. »Fragen Sie mich lieber, warum Mathilda mein Schweigen erkaufen musste. Das ist weit interessanter.«
»Warum also?«
»Wegen des Kindes. Ich wusste ja, wer der Vater war.«
Schnee von gestern, dachte Cooper sarkastisch. »Sie haben Mr. Duggan gesagt, dass Ihre Frau Tagebuch geführt hat«, bemerkte er, »und dass diese Bücher, als Shakespeares Werke eingebunden, auf dem obersten Bord in der Bibliothek zu finden seien. Ist das richtig?«
»Absolut.«
»Haben Sie die Tagebücher gesehen, als Sie im Cedar Home waren, oder hat Mrs. Gillespie Ihnen von ihnen erzählt?«
Gillespie kniff die Augen zusammen. »Soll das heißen, dass sie nicht mehr da sind?«
»Würden Sie bitte meine Frage beantworten. Haben Sie sie gesehen oder stützen Sie sich auf etwas, das Ihnen Ihre Frau gesagt hatte?«
»Ich hab sie gesehen. Ich wusste ja, wonach ich schauen musste. Ich hab ihr die ersten beiden Bände als Hochzeitsgeschenk binden lassen und ihr noch acht unbeschriebene dazu geschenkt.«
»Könnten Sie mir die Bücher beschreiben, Mr. Gillespie?«
»Der Einband aus braunem Kalbsleder. Goldschrift auf dem Rücken. Titel bei Willy Shakespeare entlehnt. Insgesamt zehn Bände.«
»Und das Format?«
»Ungefähr zwanzig mal fünfzehn Zentimeter, und zwei bis drei Zentimeter dick.« Er schüttelte den Kopf. »Sie sind also nicht da. Und ich habe mich auf diese Tagebücher verlassen. Sie beweisen, dass Mathilda es darauf anlegte, mich zu betrügen.«
»Sie haben sie also gelesen?«
»Nein, das ging nicht«, brummte er. »Sie hat mich nie lang genug allein gelassen. Ist dauernd um mich herumgetanzt. Aber die Tagebücher werden es beweisen. Sie hat es aufgeschrieben, genau wie sie alles andere aufgeschrieben hat.«
»Dann können Sie also nicht mit Sicherheit sagen, dass es Tagebücher waren; nur dass auf dem obersten Bord zehn Bände Shakespeare standen, die mit den Tagebüchern Ähnlichkeit hatten, die Sie ihr vor mehr als vierzig Jahren geschenkt hatten.«
Er schob st örrisch die Unterlippe vor. »Hab sie gleich beim ersten Mal gesehen. Es waren Mathildas Tagebücher - eindeutig.«
Cooper überlegte eine Moment. »Hat Mrs. Lascelles von den Tagebüchern gewusst?«
Gillespie zuckte die Achseln. »Kann ich nicht sagen. Ich hab's ihr nicht erz ählt. Wollte ja nicht gleich mein ganzes Pulver verschießen.«
»Aber Sie haben ihr gesagt, dass Sie nicht ihr Vater sind?«
»Jemand musste es ihr sagen.«
»Warum?«
»Hat sich ja förmlich auf mich gestürzt. Wollte mich gar nicht mehr weglassen. Wirklich traurig. Ich hielt es für unrecht, sie weiterhin an eine so fundamentale Lüge glauben zu lassen.«
»Die arme Frau«, murmelte Cooper mit neuem Mitgefühl. Er fragte sich, ob es jemanden gab, der sie nicht zurückgewiesen hatte. »Ich nehme an, Sie haben ihr auch von dem Brief ihres leiblichen Vaters erzählt?«
»Warum nicht? Ich finde, sie hat das gleiche Recht auf das Cavendish-Vermögen wie ihre Mutter.«
»Woher wussten Sie von dem Brief? Er wurde doch erst geschrieben, nachdem Sie nach Hongkong gegangen waren.«
Gillespies Gesicht bekam etwas Verschlagenes. »Man hat so seine Möglichkeiten.« Doch er sah etwas in Coopers Augen, das ihn zu näherer Erklärung veranlasste. »Gab Gerede im Dorf, als Gerald sich das Leben nahm«, sagte er. »Es hieß, er hätte einen Brief geschrieben, den sein Bruder unterschlagen
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