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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
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als eine Viertelstunde, beschloss ich, sollte ich nicht wegbleiben müssen.
    Aus der Ferne näherte sich ein protziger Geländewagen mit einem großen Anhänger. Ich kniff die Augen zusammen. Ich hatte mich noch nie für Autos interessiert, aber Mirkos Wagen war eine so auffällig hässliche weiße Riesenwanne, dass ich ihn tatsächlich wiedererkannte.
    Mirko stoppte, als er mich sah, fuhr bei laufendem Motor die dunkel getönte Fensterscheibe auf der Beifahrerseite herunter und beugte sich grinsend zu mir herüber.
    «Na, schöne Frau? So alleine?»
    Ich war überrascht. War er gestern derartig betrunken gewesen, dass er sich nicht an seine Feindseligkeit mir gegenüber erinnerte? Oder spielte er ein Spiel? Während ich noch nach einer klugen Antwort suchte, deutete er mit den Daumen nach hinten.
    «Das Boot!», bemerkte er wichtig.
    Ich sah zum Anhänger. Darauf vertäut lag ein hölzernes Ruderboot. Mein Gehirn schaltete außerordentlich langsam.
    «Das
Boot
!», wiederholte Mirko. «Das Boot vom See! Vom
Tatort
! Capisce?»
    Ich nickte. Meine Gedanken stolperten ratlos umher. Hatte Mirko sich das Boot unter den Nagel gerissen und war so dumm, damit offen in der Gegend herumzufahren?
    «Ich bin im Auftrag der Polizei unterwegs!», teilte er mir bedeutsam mit. «Christian will das Ding in seinem Garten sicherstellen. Wegen der Spuren und so.»
    «Gut», sagte ich hilflos. Ich war entsetzt. Wie konnte Christian einen Verdächtigen zu Hilfe rufen?! Was für ein Trottel!
    Mirko hob die Finger zum Victory-Zeichen, als er den Motor aufheulen ließ. «Muss weiter!», brüllte er mir über den Lärm hinweg zu. «Immer schön weiter!»
    Als er fort war, steckte ich mir sofort eine neue Zigarette an der alten an. Ich brauchte Nikotin, viel Nikotin, ich musste mich konzentrieren, klar denken. Oder besser: weit und um die Ecke denken. Erstens: Wie konnte Christian einen potenziellen Mörder alleine mit einem Beweisstück durch die Gegend fahren lassen?! Und zweitens: Es war keine zwei Stunden her, dass Christian mir gesagt hatte, es würde keine offiziellen Ermittlungen geben. Und jetzt ließ er das Boot zu sich bringen. Was hatte er in der kurzen Zwischenzeit herausgefunden? Ich dachte keine Sekunde nach, als ich den Polizeiwagen auf der Straße näher kommen sah. Eilig sprang ich vor, wedelte mit den Armen und bedeutete Christian, auf den Parkplatz zu fahren. Nachdem er gehalten hatte, stürzte ich auf sein Auto zu.
    «Frau Kommissarin!», begrüßte er mich freundlich. «Was ist los?»
    «Das frage ich dich! Eben ist hier Mirko vorbeigekommen, mit dem Boot vom See im Schlepptau! Christian! Ich hab dir doch gesagt: Der ist verdächtig! Mensch, du musst dem hinterher, wahrscheinlich steht der jetzt hinter der nächsten Ecke und verwischt sämtliche Spuren!»
    Christian lachte. «Alles gut», meinte er beruhigend. «Das Boot kommt in meinen Garten. Und Mirko hat ein Alibi.»
    «Wie, ein Alibi?!»
    «Er war auf einem Banker-Kongress. In der Schweiz.»
    «Ja, aber … Das kannst du ihm doch nicht einfach so glauben!», stammelte ich.
    «Ich glaube das auch nicht einfach so», antwortete Christian nachsichtig. «Ich bin sofort zu ihm hin, nachdem ich dich am See getroffen hatte. Er war extrem kooperativ. Hat mir die Hotel- und etliche Restaurantrechnungen aus der Schweiz gezeigt, alle auf seinen Namen. Und er hat mir ein Video über den Kongress gezeigt. Im Internet.» Christian grinste. «Er war total stolz drauf, dass er x-mal auf verschiedenen Veranstaltungen gefilmt wurde. Und einen Zeitungsbericht samt Foto gab es auch noch. Wirklich, was immer Mirko mit Dorit hatte – er ist nicht ihr Mörder. Aber: Er hat einen Anhänger.»
    «Oh.» Ich kam mir plötzlich unglaublich albern vor. Wie ein Schulmädchen, das versucht hat, Privatdetektivin zu spielen.
    Christian lächelte. «Ich stell das Boot jetzt bei mir sicher, und morgen beantrage ich die Fahndung. Ich glaube nicht mehr, dass Dorit alleine war. Da muss ein Wagen am See gewesen sein. Jemand hat versucht, versteckt zu parken, ich bin mir sicher.»
    «Wieso auf einmal?»
    «Ich war heute schon seit Sonnenaufgang da. Bin alles noch mal durchgegangen, die abgeknickten Zweige, die Spuren an der Baumrinde. Ich muss jetzt nur noch die Kollegen von der Kripo überzeugen, die offiziellen Ermittlungen aufzunehmen. Ich will, dass das Boot auf DNA -Spuren untersucht wird.»
    Er machte eine kleine Pause und sah mich auffordernd an. «Und jetzt muss ich den Kopf frei kriegen. Die

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