Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lia Norden
Vom Netzwerk:
schon irgendwie seltsam … Sie hat …» Ich überlegte angestrengt. «Ja, ich glaube, sie hat ernsthaft versucht, mich davon zu überzeugen, dass Dorits Tod für sie, also für Dorit selbst, meine ich, die beste Lösung ist. Nein, im Grunde für uns alle …» Ich brach ab. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, wie absurd Fabiennes Worte gewesen waren. Ich hätte ihr sofort widersprechen müssen! Warum hatte ich mich derart einlullen lassen, nur weil sie vorher Verständnis gezeigt hatte? Wie ein frommes Schaf hatte ich mir von Fabienne erst die Absolution für meinen Ehebruch und danach für mein Komplettversagen gegenüber Dorit erteilen lassen. Doch bevor ich weiter vor mich hin grübeln konnte, beanspruchte Hanna schon wieder meine Aufmerksamkeit. Mit einem raschen Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, dass Fabienne nicht in Sicht war, dann langte sie über den Tisch und schnappte sich das schwarze Notizbuch, das Fabienne liegen gelassen hatte.
    «Hanna!», rief ich erschrocken.
    «Alles gut. Ich will doch nur mal sehen, was sie um Dorits Tod herum so gemacht hat», erklärte Hanna ungerührt, während sie mit geschickten Fingern das Buch aufblätterte. «Jetzt guck nicht so entsetzt! Pass lieber auf, ob sie zurückkommt.»
    Ich nickte und blickte gehorsam ins Café. «Ich kann sie nicht mehr sehen, wahrscheinlich ist sie noch zur Toilette gegangen. Aber mach schnell!»
    Hanna hatte die betreffende Woche schon gefunden, oder besser: nicht gefunden. Wortlos hielt sie mir Fabiennes aufgeschlagenen Terminkalender hin, in dem diese mit ihrer gestochenen Schrift Tag für Tag akribisch ihre Termine notiert hatte. Die Seite mit der 22 . Kalenderwoche fehlte.
    «Jemand hat sie herausgerissen!», flüsterte ich entsetzt.
    «Jemand?!» Hanna sah mich an, als wäre ich begriffsstutzig. «Das war ja wohl Fabienne selber. Und sie wird wissen, warum.»
    «Jaja, aber jetzt mach, leg das Ding zurück!», zischte ich. «Schnell! Sie kommt!»
    Fabienne machte keine Anstalten, sich noch einmal zu uns zu setzen. «Ich habe die Rechnung schon bezahlt», sagte sie, «für euch gleich mit.»
    «Danke für die Einladung.» Hanna lächelte Fabienne an, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Sie hatte sich wirklich nicht geändert. Sie war immer noch eine Schauspielerin.
    Aber was Hanna konnte, konnte ich auch: Gerade so, als sei er mir eben erst aufgefallen, nahm ich Fabiennes Kalender vom Tisch und reichte ihn ihr. «Hier, vergiss deinen Planer nicht!»
    «Oh! Danke!» Fabienne ließ das Büchlein in ihre Tasche fallen und beugte sich dann zuerst zu Hanna und danach zu mir herunter und hauchte uns andeutungsweise einen Kuss auf die Wange. «Ich fahre jetzt. Lebt wohl, ihr beiden.»
    Es war völlig absurd, aber plötzlich fiel mir ein Abschiedsgruß ein, den Lea und ihre Freundinnen benutzten, wenn sie jemanden deutlich spüren lassen wollten, dass ein weiterer Kontakt für sie ausgeschlossen war: «Schönes Restleben noch!»
    Warum musste ich ausgerechnet jetzt daran denken? Fabiennes Haarspitzen streiften meine Wange, und für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Ihre Augen schienen mir mit einem Mal so vertraut wie damals. Wenn sie jetzt ging, würden wir uns niemals wiedersehen. Sie würde uns aus ihrem Leben, ja aus ihrer Erinnerung streichen, so wie sie Dorit bereits daraus gestrichen hatte. Da war ich mir sicher.
    «Willst du nicht doch …?», setzte ich noch mal an.
    Fabienne schüttelte den Kopf, dann drehte sie sich um, ging zu ihrem Fahrrad, das an einem Baum lehnte, und radelte davon. Sie warf keinen einzigen Blick zurück.
    Hanna und ich sahen ihr schweigend nach. Ich wusste selbst nicht, warum, aber ich hätte am liebsten geweint. Irgendetwas war unwiederbringlich zu Ende. Anscheinend hatte ich an unser mögliches Wiedersehen jahrelang viel mehr Hoffnungen geknüpft, als ich selbst geahnt hatte. Plötzlich fühlte ich mich alt und müde und so verkatert, wie ich es ja auch war.
    «Und was machen wir nun?», fragte ich Hanna.
    «Einen Plan!», sagte sie. «Wir brauchen einen richtig guten Plan! Fabienne verbirgt etwas vor uns. Und wir finden raus, was das ist.» Sie rieb sich die Augen. «Aber vorher muss ich ein paar Stunden schlafen. Ich bin total alle. Und du siehst auch nicht gerade frisch aus, meine Liebe!» Sie griff nach ihrer Tasche. «Da fällt mir ein, dass du mir noch gar nicht erzählt hast, wie es mit Wolff war. Ich will alles wissen, hörst du? Jedes schmutzige Detail!»
    Ich schüttelte

Weitere Kostenlose Bücher