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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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m en werde.
    Er hatte be m erkt, daß es m it der Gesundheit des Kardinals nicht zum besten stand, aber eigentlich w ar dem i m mer so gewesen. Mir geht es auch nicht gut, dachte Louis. Er schaute wie so häufig über seinen Ti s ch hinweg auf Richelieu und sah plötzlich eine Monstrosität vor sich, die m an i h m vor Jahren ein m al g e zeigt hatte: zwei erwachsene Männer, d i e an der Hüfte zu s am m engewachsen zur W elt gekommen waren. Damals hatte er schaudernd zu Saint-Simon, Cinq Mars’ Vorgänger, gesagt, solche Mißgeburten m üsse man bei der Geburt ertränken. Jetzt kam es i h m in den Sinn, daß er und der Kardinal eben fa lls eine sol c he Mißgeburt darstellt en ; aneinandergekettet, untrennbar, Tag für Tag, Jahr für Jahr, und das schon eine endlos lange Zeit.
    Plötzlich schien es ihm unerträglich.
    Also sagte er nichts, bis sie schließlich zu einem Ende ka m en und der Kar d inal Anstalten m achte, sich zurüc k zuziehen. Dann fiel ihm ein, daß, sollte Cinq Mars sein Verbot nicht beachten Verbot? wi s perte eine höhnische Stimme in i h m -, es unsicher war, wie lange Richelieu noch am Leben bleiben w ürde. Jede Z usam m enkunft konnte die letzte sein, auch di ese.
    »Mon cousin«, sagte er, was den Kardinal veranlaßte, die Papiere sinken zu lassen, die er gerade ord n ete. Diese A nrede, die eine reine Ehrenbeze u gung war, denn eine Verwandtschaft zwischen den du Plessis de Richelieus und den Bourbonen ließ sich beim besten W illen nicht feststellen, verwendete Louis nur in außerorde n tlich e m otionsgeladenen Mo m enten.
    »Mon cousin, ich bitte Euch, antwort e t m ir ehrlich. Hat es je etwas gegeben, um das Ihr m i ch benei d et habt, abgesehen von m ein e m Thron ? «
    Keine Schmeichelei jetzt, dac h te Louis und hör t e seine ungeheuerliche F r age, die wie ei n e Bitte klang, widerhalle n , obwohl er sie geflüstert hatte. Kein höfisches Ko m p li m ent. Sprecht nur ein m al, ein einziges Mal m it m i r, als wäre ich nicht König und Ihr nicht … was Ihr s e id.
    Schweigen. Er nahm alles sehr genau wahr: das W achs, d a s von den beinahe niedergebrannten Kerzen tropfte; die Tinte, die auf den Staatspapieren trocknete und von ihm eben m it Sand bestreut worden war; das Knarzen des alten Holzes, aus dem die W ände be st anden. W i e er den Louvre haßte! Den Louvre m it seinen Geistern vergangener Könige. E r m ordeter Könige. V i el besser, in Saint-Ger m ain zu sein oder in Versailles, oder, n o ch besser, in überhaupt keinem Schloß eingesperrt, sondern bei der A r m ee, wie da m als vor La Rochelle. W i e hieß die Stadt, die s e ine Truppen jetzt g e rade belagerten? Perpignan. Ja, er würde zu sei n en Truppen nach Perpignan gehen und all das, was ihn belas t ete, hinter sich lassen.
    »An d e m Tag, als der Dauphin gebor e n wurde«, sagte der Kardinal endlich, »hätte ich den erleichterten Jubel von ganz Frankreich teilen sollen. Doch ich war nicht erleichtert. Das war der Tag, an dem ich Euer Majestät beneidete . «
    »Ich verstehe«, sagte Louis.
    Er schaute auf seine Hand, die unkon t rolliert anfing, zu zittern. Ein Sohn, die Unsterblichkeit, die Kind e r verliehen warum hatte er nie daran gedacht, daß dies dem Kardinal verwehrt war? Dieses Eingeständnis der Schwäche befriedigte i h n, und gleichzeitig e m pfand er es als Schlag ins Gesicht. Die Fähigk e it, Kinder zu zeugen, besaß selbst der einfachste Bauer, schlim m er, sogar die Tiere besaßen sie. Es war keine Leistung, kein Talent: nur ein U m stand der Natur.
    Aber was war daran neu? Er hat t e im m er geahnt, daß er f ür den Kardinal nur eine Entschuldigung war, um Frankreich regieren zu können.
    Er erhob sich. Der Kardinal sta n d schon, aber er wartete höflich, wie es sich gebührte, darauf, daß der König vor ihm den Raum verließ.
    »Geht Ihr nur als erster«, sagte Louis und ballte seine Hand zur Faust, um dieses lächerliche Zittern zu unterdrücken. »Ihr seid ohnehin der wahre König.«
    Er hatte es ausgesprochen, und er würde den Kardinal zwingen, dieses eine Mal die W ahrheit üb e r ihre Situ a ti o n zuzugeben. Denn wenn er sich jetzt wei g erte, als er st er zu gehen, war es eine Majestätsbeleidigung, und wenn er gehorchte, ebenso.
    Richelieu beobachtete ihn noch e i nen Mo m ent, dann ergriff er den Kerzenhalter und nahm die Posit i on eines Kammerdieners ein. »Nur, um Euer Majestät zu leu c hten«, erwiderte er leise.
     
    »Michel«, sagte der Kardinal, als er wieder in

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