Die Schatten von La Rochelle
Affront.«
»Um H i mmels willen, François«, e ntgegnete s eine Schw e ster ü berdrüssig, »ihm bleiben genug ein t rägliche Ämter, und dir übrigens auch.«
François de Vignerot de Pont-Courlay hatte, im Gegensatz zu Marie, d a s rot b raune Haar der Rich e li e us geer b t , g lich a b er a n sonsten seinem Vater. Er nahm i n den letzten Jahren i mm er m ehr zu und hatte bereits ein Doppelkinn. Vielleicht fiel es ihr deswegen schwer, ihn anders denn als das unbeherrschte, schreiende B aby zu sehen, das so lange gebraucht hatte, um sprechen zu lernen.
»Ja, Ä m ter«, sagte er langsa m . »Ist es dir eigentlich nie in den Sinn gekommen, Marie, daß ich vielleicht etwas ganz anderes will? Etwas wie Respekt? Aber Monseigneur h a t uns allen schon längst klar ge m acht, daß die ein z ige in der Fa m ilie, die er r e s pekti e rt, du bist. W ir andern werden versorgt wie u n m ündige Kinder, und wenn wir einen Fehler m achen, gibt es einen Klaps auf die Hand.«
»Das ist nicht wahr.«
»Ach nein? W i eso hast du dann Einblick in seine Finanzen, und ich nicht? Ich hätte ein Recht darauf, weißt du. I mm erhin bin ich, als der Sohn seiner ältesten Sch w ester, der nächste Herzog.«
»Du hast nie m als auch nur die G e duld für deine eigenen Finanzen aufgebracht, François, und das weißt du. Außerdem finde ich es abstoßend, jetzt schon auf dein Erbe zu spekulieren.«
»Da er den König nun ein m al d azu bekommen hat, aus dem Marquisat Richelieu ein Herzogtum zu m achen, muß er es doch je m andem hinterlassen, nicht wahr? Dem teuren Onkel Brézé h i nterlä ß t er es bestim m t nicht, und der heilige Onkel Alphonse wird es nicht wollen. Obwohl Monseigneur nach all e m, was m i r Margot erzählt hat, sehr wohl dazu i m stande sein dürfte, es ihm aus reiner Bos h aftigkeit zu ver e rben . «
Marie nahm einen Federhalter in die Hand und ließ ihn von Finger zu Finger gleiten. »Margot weiß genausowenig über diese Angel e genheit wie du, und nach alle m , was ich heute morgen erlebt habe, ist das auch gut so.«
Der W unsch, diesem Rau m , diesem Palais und all ihren Verpflichtungen zu entkom m en, erstickte s i e beinahe. Aber sie unterdrückte ihn. Später, dachte sie.
» W arum spreche ich eigentlich m it di r ? « f ragte François bitte r .
»Ich könnte genausogut m it einem Spiegel Seiner E m inenz reden. Margot hat recht. Er hält sich vielleicht für den Wohltäter seiner Fa m ilie, aber in W ahrheit hat er uns al le ausge s au g t. Ein Brud e r tot, e in Bruder verrückt, eine Schwester tot, eine Schwester verrückt, und seine sä m tlichen Neffen und Nichten sehen ihn als Vater an, der sie nach seinem Bild for m en darf. Aber er i s t n i cht unser Vater. Kannst du dich noch an unseren Vater e r innern, Marie? Was für Gewohnheiten er hatte, worüber er gerne sprach? Nei n ? Ich auch nicht. Aber du weißt alles über Seine E m inenz, und sogar ich weiß m ehr über ihn als über m einen eigenen Vater.«
Der Federhalter in den Händen s e i n er Schwester zerbrach. » W enn du unbedingt etwas über unseren Vater wissen w ill s t, Franç o is, bitte. Er hat unsere Mutter allein sterben lassen, e r h at sich n a ch Krä f ten be m üht, uns loszuwerden, und nachdem ich geheiratet hatte, hielt er es nic h t ein einzi g es Mal für nöti g , m i ch zu besuchen. W as dich angeht, so bezweifle ich, daß er s i ch an deinen N a m en erinnern konnte.«
Das dickliche, ewig jungenhafte Gesicht ihres Bruders legte sich in Falten und wurde fahl. Scham und Reue stiegen in ihr auf; sie k a m sich vor wie Condé, als er die kleine Claire Cle m ence a usgelacht hatte. »Es t u t m i r leid … «
»Schon gut«, sagte er w ürdevoll u n d erhob sich. »Ich verstehe. Du kannst stolz auf dich sein, Marie. D u bist wirklich ganz und gar eine Richelieu.«
»Nur heute«, sagte sie zu Paul, als sie ihn auf dem Pont-Marie traf,
»ich wer d e nie wie d er d arum bitten, aber he u te k eine ein z ige Anspielung auf den Kardinal.« Und m it einer leichten Gri m asse fügte sie hinzu: »Als Ausgleich biete ich eine Diskussion über einen atheistischen Philosophen Eurer W ahl an.«
Er lachte. »Einem solchen Angebot kann ich nicht widerstehen.« Er war nicht allein; sein jünger e r Bruder, spürbar unglücklich, begleitete ihn. »Raoul«, sagte Paul, » m acht sich Sorgen um Euch, Mada m e. Er möchte sich persönlich v e rgewissern, daß Euch nichts angetan wird.«
Das, dachte Raoul
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