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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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die To c hte r ? «
    »Oh, ein na m enloser Helfershelf e r des Schurken. Aber letztendlich ist es die Schuld des Königs, denn wenn sie nicht versucht hätte, ihm zu helfen, w äre s i e sic h er an d er Seite ihres Ge m ahls in Fra n kreich. Was m ich a n diesem Stück beeind r uckt hat, Mada m e, sind die Dinge, die der Engländer seinen alten Mann sagen läßt. As flies for wanton boys are we to the Gods, who kill us for their Sport. Ich weiß nicht, ob Ihr d ie engli s che S prache b eherr s c h t, Marie, aber Raoul t u t es nicht. W ir sind für die G ötter nicht m ehr als Fliegen für Knaben, und sie töten uns zu ihrem Vergnügen. K e ine sehr elegante Übersetzung, Raoul, du solltest die Sprache wirklich lernen.«
    »Ich…«
    Paul ignorierte ihn und fuhr fort: » E uer kritisches Urteil über Inhalt und Philosophie dieses Stückes, Mada m e ? «
    »Eindrucksvoll«, entgegnete Marie, »aber einseitig.«
    Er hatte sein Versprechen gebrochen, und damit fühlte auch sie sich nicht mehr an Rücksicht n ah m e auf den a r men Raoul gebunden, der wie ein Kind wirkte, das sich plötzlich in einer rö m i schen Arena zwischen den Löwen wiederfindet.
    »Mir erscheint die Vorstellung von einem Gott, der die Menschen nur erschaffen hat, um si e zu quälen, pri m itiv, wie eines dieser Monu m ente in der Bretagne. Eine s o lche Vorstellung sagt et w as über den Geist des Menschen aus, der sie hat, nicht über seinen Schöpfer.«
    Sie waren inzwischen wieder in S ichtweite de r Seine an g elangt, und sie wies auf den Fluß. An einig e n Stellen hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet, und die Sonne dieses W i ntertages fing sich auf ihr und m a c hte das strö m ende Wa s ser darunter zu einem unregel m äßigen Band aus Dia m anten.
    »Schönheit«, sagte Marie ruhig. » E s kann m i r nichts nützen, es bringt m i r keinen Gewinn, daß ich Entzücken fühle, wenn ich auf diesen Fluß schaue, oder Freude, wenn ich die ersten Vögel höre und weiß, daß sie wieder zurückgekehrt sind. E in kleinlicher und grausa m er Gott könnte so etwas nicht erschaffen.«
    »Ihr denkt zu kurz, Mada m e. W as, wenn es alles eine gigantische Falle ist? Schönheit ist nur der Köder. Und Vergänglichkeit, Sterblichk e it die Gitt e rstä b e der F a lle. W oran auch im m er Ihr Euer Herz hängt, es ist dazu bestim m t , zu sterben, und damit schnappt die Falle zu. Gleich g ülti g e Gesc h öp f e kann man nicht qu ä len. Man mußte uns erst lehren, zu e m pfinden, um uns zerstören zu können.«
    »Uns, Monsieur ? « fragte sie m it hochgezogenen Augenbrauen.
    »Eine rhethorische F i gur, Mada m e.«
    »Das dachte ich m i r. Nun, um wieder auf Euer Stück zu ko mm en…«
    » W ir reden nur über das Stück.«
    »… m i r scheint, Ihr billigt Eurem Dichter ei n en zu engen H orizo n t zu. Vielleicht war die Tochter des Königs froh, für ihren Vater sterben zu können. W i e auch der Sohn Gottes und der Menschen bereit war, für uns alle zu sterben.«
    » W ar er das, Mada m e? Er hat I hn gebeten, diesen Kelch an ihm vorübergehen zu lassen.«
    »Er sagte a u ch: Nicht m ein, sondern dein W ille geschehe.«
    Was für R a oul am un e rwartetsten ka m , war, daß Paul seine undurchdringliche Miene verloren h a tte. Er schaute m it einer Mischung aus Zorn und noch etwas anderem, das Raoul nic h t i de nti f izieren konnte, auf Mada m e d ’ Aiguillon, aber es war ihr tatsächlich gelungen, ihn um seine unzugängliche G l eichgültigkeit zu bringen. Mit einer theologisch-poetischen Disku s sion, dachte Raoul verdutzt. W er hätte geahnt, daß Paul sich von T h eologie so aus der Fassung bringen ließ e ?
    »Ihr vergeßt das letzte. Soweit ich m ich erinnere, rief er am Kreuz: Mein Gott, m ein Gott, warum hast du m i ch verlassen? Da habt Ihr sie wieder, die gi g antische F a lle, Mada m e. Und ich denke, am Schluß hat Er es auch begriffen. Er wurde in die W elt g e schic k t, nicht um uns zu erlösen, sondern um uns vorzu m achen, Gott habe Mitleid m it uns, ein Gott, der seinen eigenen Sohn nicht hörte, als er nach ihm rief.«
    »Aber Gott ist auch der Sohn, Paul«, sagte sie, und Raoul fühlte die Eifersucht brennen, als sie die Hände seines B r uders ergriff und in die ihren nah m . » W ie könnte er wissen, was völli g e Verzweiflung und Tod den Menschen bedeuten, wenn er sie nicht selbst erlebt hät t e ?«
    Paul schaute sie weiter m it d i esem seltsa m en Ausdruck an, und plötzlich w urde Raoul klar, was d a s andere

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