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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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obwohl ich nicht dort aufwuchs.«
     
    Das Z i m m er, das m an ihm gegeben hatte, war trotz der offenkundigen W ohlhabenheit der Leute so k a rg eingerichtet wie der Rest des Hauses; ein Bett, ein Stuhl, ein K r euz an der W a nd. Er hätte die betonte Schlichtheit ein e s protestantischen Haushalts all m ählich bedrückend gefunden, wenn seine Nerven nicht so angespannt wie die Federn eines Uhrwerks gewesen wären. Als s i ch die T ü r lei s e öffnete, nickte er.
    »Ich habe auf Euch gewartet, Mada m e«, sagte Ar m and. »Darf ich fragen, warum Ihr m i ch nicht verraten habt ? «
    » W eil ich E uch einen V orschlag zu m achen habe, Monsieur.«
    Sie trug i mm er noch i hr sackäh n liches Kleid, aber sie h atte ihr Haar gelöst, und während sie ih m , ruhig und sachlich, ihren Vo r schlag a u seinandersetzte, ertap p te er sich dabei, wie er dachte, daß er das Haar einer Frau noch nie in diesem Zustand gesehen hatte, außer bei seinen S chwestern, als sie noch sehr jung waren. Als sie fertig war, wurde er s ich m it einem Mal der Ungeheuerlichkeit der ganzen Situation bewußt.
    »Das kann nicht Euer Ernst sein.«
    »O doch. Ich respektiere m einen Ge m ahl, aber m an hat m ich m it einem Asketen verheiratet, der no c h im m er um seine er s te G e m ahlin trauert und m i ch eher wie seine L i eblingstochter behandelt. Vielleicht kann sich das m it der Zeit ändern, aber er wird bereits ein Greis s ein, wenn ich n och jung bi n, und ich will zuv o r zu m i ndest ein m al gelebt haben. Wenn ich m ir jedoch einen Liebhaber aus m einem Bekanntenkreis suchen würde, m üßte ich ständig befürchten, daß er redet, und dann würde m i ch die Ge m einschaft und m eine Fa m ilie verst o ßen. Aber I hr, Ihr m üßtet schwei ge n, denn Ihr hätt e t e bensoviel zu verlieren wie ich. So wie ich heute geschwiegen habe.«
    Was für eine erstaunliche Frau, und wie m erkwürdig, sie hier in La Rochelle zu finden. Aber was dachte er da? Es w ar natürlich un m öglich, und er mußte es i h r jetzt m it s e hr viel Takt m itteilen. D och was aus seinem Mund ka m , hörte sich eher an wie: »Warum ich?«
    » W ie eitel Ihr seid, Monsieur. Ihr wißt genau, wie Ihr auf die Menschen wir k t, wenn Ihr wollt, und ich werde es Euch gewiß ni cht noch ein m al in Worten bestätigen. Ihr könnt m i r nicht erzählen, daß Ihr das heute nicht absichtlich getan h a b t. A lso, w ie la u tet Eu re An twort ? «
    Später schob er es auf die erd r ückende Öde von Luçon, auf seine unterdrückte Jugend, die ein letztes Mal rebellierte, auf seine E m pfänglichkeit für Schönheit, die sie so sah wie ein barbarisch behandelt e s Kunstwerk, auf s e ine i n t e lle kt uelle Neugi e r, die wissen wollte, wie es war, dieses andere, was er ohne große Bedenken aufgegeben hatte. Aber vielleicht w aren das auch alles nur Vorwände, und es existierte kein anderer Grund als ihr helles Haar, das ihn an Meergischt erinnerte und sich wie Seide anfühlte, als er zu ihr trat und es berührte.
     

17. KAPITEL
     
    Ihr Na m e war Anne, obwohl Ar m a nd ihn nie gebrauchte. Vorna m en hatten etwas sehr Inti m es für ihn, und obwohl er verrückt genug war, sie nach dem einmaligen Ausflug nach La Rochelle wiederz u sehen und immer wieder zu treffen, konnte er nie vergessen, wer sie war, was sie war, und wer er war.
    Es war unmöglich, ihr zu vertrauen. Aber er ertappte s i ch d abei, wie er ihr etwas von seiner Fa m ilie erzählte, v on seinen Träu m en; nichts, das sie gegen ihn hätte verwenden können, nur erstaunte ihn das Bedür f nis, sich m itzuteilen. Sie ihrer s eits hatte eben fa lls ih r e Vorbehalte.
    » W arum wußte Euer Ge m ahl nicht, wer ich war ? «
    »Er hat nicht stundenlang Claude de La Portes Elogen über ihren brillanten Neffen, den Bischof, zuhören m üssen. Im übrigen m öchte ich, daß Ihr m einen Ge m ahl nicht m ehr erwähnt, es sei denn, ich tue es.«
    Ihr Vater, erzählte sie i h m, war vor seinem Übert r itt zur pr o testantisc h en Religion ei n er d er r au f lusti g sten Kav a li e re am Hof der Val o is gewesen, der nur in den Tag hineingelebt hatte, bis zur Hochzeit der Prinzessin Marguerite m it d e m jungen protestantischen König Henri de Navarre, der Heirat, welche die Parteien versöhnen sollte. Er hatte zu den Ehrenwachen gehört und das Grauen der Bartholo m ä usnacht, das folgte, m iterlebt, der Nacht, in der Tausende von Protestanten jeden Alters u m gebracht wurden, angefangen von ihrem Führer, Ad m i

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