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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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entgegenzusetzen hatte, abernach einer Weile, in der sich das Schiff anscheinend noch mehr zu stabilisieren schien, erklärte er: «Schlimmstenfalls hätte man keinen Unterschied gemerkt. Jedenfalls nichts Nachteiliges. Ich will Ihnen das Prinzip der Schlingertanks kurz erläutern. Es handelt sich dabei um große Ballasttanks, die wir auf der Innenseite der Bordwände angebracht haben. Über mehrere Steigleitungen sind die Ballasttanks miteinander verbunden, und das Wasser kann ab einer bestimmten Neigung des Schiffes von der einen zur anderen Seite überlaufen. Die Verzögerung der Ballastverschiebung und das vorhandene Trägheitsmoment sorgen dafür, dass der Ballastanteil in dem Moment genau an der Seite am größten ist, wo er gebraucht wird, um der Wellenkraft entgegenzuwirken. Die Fließgeschwindigkeit zwischen den gegenüberliegenden Ballasttanks kann über mehrere Ventile und Stauklappen gesteuert werden. Um Ihnen die Wirkung noch einmal zu demonstrieren, erlaube ich mir nun, die Ventile erneut schließen zu lassen.»
    Frahm betätigte abermals den Hebel auf der Schalttafel, und es dauerte wieder einen Moment, bis sich eine Veränderung einstellte. Nach wenigen Minuten begann das Schiff mit seiner ursprünglichen Rollbewegung durch die Wellentäler zu taumeln, wobei man nun den Eindruck hatte, dass sich die Krängung deutlich verstärkt hatte.
    Admiral von Tirpitz ergriff das Wort. «Vielen Dank für diese sehr anschauliche Demonstration, Herr Frahm. Meine Gratulation. Wenn Sie so freundlich wären, nun die Verbindung zwischen den Tanks wieder zu öffnen   …» Die meisten Anwesenden nickten zustimmend.
    «Meine Herren, wir waren soeben Zeugen der ersten Erprobung einer technischen Errungenschaft, deren Auswirkung den Schiffbau zwar nicht revolutionieren wird,aber dessen Vorteile doch wohl klar auf der Hand liegen. Abgesehen davon, dass die Verwendung dieser Tanks das Wohlbefinden sowohl von Besatzung als auch von Passagieren auf Schiffen in schwerer See steigert, versprechen wir uns durch die Einführung auf Seiner Majestät Schiffe vor allem Vorteile hinsichtlich der Zielerfassung und Ausrichtung der Geschützplattformen.
    Nun verstehen Sie vielleicht den Grund unserer Geheimniskrämerei, denn wir haben durchaus die Absicht, zukünftig alle Neubauten der Flotte mit dieser Technik auszurüsten, was uns eine deutliche Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Kreuzern und Linienschiffen sichern wird. In Verbindung mit der Turbinentechnologie sowie der neuesten Generation der Kruppschen Geschütze werden die Schiffe Seiner Majestät Flotte nicht nur schneller und manövrierfähiger als jedes vergleichbare Schiff einer fremden Nation sein, sondern dazu noch über eine größere Geschossreichweite und eine bessere Zielgenauigkeit verfügen.» Die Anwesenden spendeten Tirpitz’ Worten spontanen Applaus.
    Während der weiteren Fahrt konzentrierte man sich auf die Manövrierfähigkeit des Schiffes, das mit aktiven Schlingertanks auf allen Kursen tatsächlich erstaunlich ruhig lag. Bis auf die Kommandanten und einige Ingenieure hatten fast alle die Brücke verlassen und sich in unterschiedliche Bereiche zurückgezogen. In der Mannschaftsmesse wurde Aal grün aufgetischt, aber der Appetit der meisten Anwesenden hielt sich in Grenzen. Nur die gestandenen Seebären griffen herzhaft zu und ließen es sich schmecken.
    Eine knappe Stunde später wurde die Rückfahrt eingeleitet, und das Schiff drehte wieder in Richtung Elbmündung ab. Sören hatte inzwischen heraushören können,dass man den Kaiser Karl der Große nach Einbruch der Dunkelheit über den Kaiser-Wilhelm-Kanal in die Ostsee überführen wollte. Den genauen Zielhafen kannte er zwar nicht, aber er hatte erfahren, dass zumindest Teile des Marinestabes sowie Seine Majestät mit einem Sonderzug von Kiel aus via Hamburg nach Berlin zurückreisen würden. Was mit der Werftbelegschaft geschah, war noch offen.
    Bislang hatte sich für Sören keine Gelegenheit ergeben, mit Schmidlein ins Gespräch zu kommen. Worüber hätte er sich mit ihm auch austauschen sollen. Bei allem, was er erfahren hatte, konnte ihm Schmidlein keine Hilfe sein. Und je länger er darüber nachdachte, desto mehr bezweifelte Sören, dass ihm überhaupt jemand helfen oder zur Seite stehen konnte. Wobei auch? Letztendlich war die Flottenrüstung Sache der Reichspolitik und damit jedem Einfluss von außen entzogen. Ganz ohne Frage war es gefährlich, was von Tirpitz und sein Stab vorhatten. Zudem

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