Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
eingeführt worden und hatte schließlich auch in diesem Wald den letzten Elfenstein des Talismans gefunden. Es war ein Ort voller Symbole und Zeichen, ein magischer Ort.
Sennar hatte Recht: Sie hatte eine Bedeutung, diese Rückkehr zu den Wurzeln.
In tiefem Schweigen durchquerten sie das, was vom Bannwald übrig war. Zunächst waren die Bäume von den Soldaten des Tyrannen gefällt worden, um daraus Verteidigungsanlagen zu errichten, dann kam die große Armut, und die Bauern hatten überall gebrandrodet, um der Erde den einen oder anderen Acker für eine bescheidene Ernte abzuringen. Und nun breitete sich um sie herum nur noch eine weite Fläche mit niedrigem, kränklich wirkendem Buschwerk aus. Lonerin kannte die Geschichte. Dieser Wald hatte sein Leben in dem Moment ausgehaucht, als Nihal jenem Baum, der den ganzen Bannwald beschützte, den Elfenstein entnahm: dem sogenannten Vater des Waldes. Ohne dessen Schutz waren viele Pflanzen erkrankt und eingegangen. Immer weiter war die Steppe vorgedrungen, die immer schon, wie die Alten noch wussten, dem Bannwald diesen Boden streitig gemacht hatte. Früher einmal hatten sich die Wälder bis zum Land des Wassers hingezogen, und Lonerin überraschte sich bei dem schmerzlichen Gedanken, dass die schönsten Dinge niemals ewig waren. Was blieb, waren nur blasse Erinnerungen, Geschichten, die abends vor dem Feuer weitererzählt wurden.
Die Vergänglichkeit der Dinge. Dies war für ihn die Entdeckung jener langen Reise an Sennars Seite. Die Helden wurden alt und verloren die Hoffnung, die Wälder verdorrten, und alles verschwand im ewigen Lauf der Zeit. Auf einer kleinen Lichtung schlugen sie ihr Nachtlager auf. Das Gras war derart trocken, dass es durch die Kleider stach. Wortlos starrte Sennar ins Nichts, während Lonerin wieder einmal für den Ritus übte.
»Ich weiß, wohin wir unterwegs sind«, sagte der alte Magier unvermittelt, wobei er den Blick hob. »Und dort will ich nicht hin.«
Lonerin sah ihn an.
»So wenig ist mir geblieben, woran ich mich klammern kann ... Und ich will nicht, dass mir auch das noch genommen wird.« »Die Erinnerungen kann einem keiner nehmen«, erwiderte Lonerin mit einem traurigen Lächeln.
»Da irrst du dich. Die Wirklichkeit entreißt sie uns Stück für Stück.« Am nächsten Morgen wurde Lonerin von einem anhaltenden Klingeln geweckt. Er träumte gerade, er stehe in Laodamea unter dem Wasserfall und werde nervös durch das tosende Wasser. Als er die Augen öffnete, begrüßte ihn eine blasse, kränkliche Sonne, die durch das vielfach gewundene dürre Geäst der Bäume schien. Es war schwülwarm, aber der Himmel verhangen. Das Klingeln hörte nicht auf. Es war kein Traum.
Als er sich umdrehte, sah er, dass sich die Scheiben zu einem Pfeil formiert hatten. Er sprang auf und weckte Sennar. Das war mit Sicherheit ein Signal, und sie durften keine Zeit verlieren. Der alte Magier blickte eine Weile in die Richtung, i n die der Pfeil wies, und packte dann wortlos seine Sachen zusammen.
Geschwinden Schritts durchquerten sie den Wald, während die Scheiben in dem Beutel an Sennars Gürtel weiterklimperten.
»Vielleicht sollten wir noch mal nachsehen, ob sie uns etwas Neues anzeigen ...«, bemerkte Lonerin.
»Das ist nicht nötig. Ich weiß, wohin.«
Lonerin folgte ihm ohne ein weiteres Wort. Sennars Stock vor ihm zog tiefe Rillen in die von der Sonne versengte Erde. Plötzlich blieb der alte Magier stehen, und Lonerin sah, dass seine Schultern leicht zitterten. Da hob er den Blick und begriff. Vor ihnen lag ein halb zerfallener, immer noch majestätischer Stamm, der gewiss einmal zu einem jahrhundertealten Baum gehört hatte. Er schien schon vor langer Zeit gefällt worden zu sein, denn an den Rändern waren das Holz faulig
und die Rinde abgebröckelt. Zudem sah man überall vulgäre Zeichen oder Verse eingeritzt. Offenbar hatten die vorüberziehenden Soldaten ihm noch nicht einmal diese letzte Kränkung erspart. Am Boden das einzige Zeugnis eines großen, nun geschändeten Erbes: ein goldenes Blatt, das aussah wie gerade vom Baum gefallen und nun, aus eigener Kraft strahlend, zwischen den von der Trockenheit aufgerissenen Erdschollen lag.
Das war er, der legendäre Vater des Waldes, der Baum, der den letzten Elfenstein des Talismans der Macht - den Stein aus dem Land des Windes also - gehütet hatte. Lonerin versuchte, sich zu trösten, indem er sich sagte, dass dieser Baum mit seinem Opfer die Aufgetauchte Welt gerettet hatte, und
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