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Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen

Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen

Titel: Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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Ido, auf dem Rücken des Drachen, der sie in die Untergetauchte Welt brachte, sah er Licht.
    Es war atemberaubend, als sie mit dem Drachen aufgestiegen waren: die Schönheit der Landschaft unter ihnen, der Wind, der seine Haare flattern ließ und ihm eisig über die Wangen strich, die Farben und Gerüche des nahenden Frühlings.
    Doch die wahre Erfüllung seiner Abenteuerlust erlebte er erst, als sie den Ozean erreichten. Nie zuvor hatte er das Meer gesehen. Mit seiner Familie war er aus dem Land des Windes nie herausgekommen und hatte nur in Büchern von mächtigen, unendlich langen Flüssen und grenzenlosen Wasserflächen lesen können. Und nun sah er ihn. Der Ozean war weit und endlos und veränderte sich ständig.
    Als er ihn am ersten Morgen am Horizont erblickte, war er nur ein leuchtender Streifen unter dem Himmel. Mittags hatte er sich schon in ein dunkelgraues Band verwandelt, über dem schwarze, regensatte Wolken hingen. Und als sie sich dann abends den Ascose-Klippen näherten, lag er wie ein Teppich aus unzähligen Blaustufen unter ihnen.
    Ido gönnte dem Drachen eine Pause und ließ ihn oben auf den Klippen aufsetzen. Es stürmte, und der Geruch von Meer und Salz war unglaublich intensiv. Doch das Rauschen der Brandung beeindruckte den Jungen am meisten. Eilig sprang San vom Drachen ab. Doch bevor er davon-stürmen konnte, packte Ido ihn am Kragen. »He, nicht so wild!« Der Gnom musste lächeln, als er Sans ungeduldige Miene sah. Er deutete auf den Abgrund, nicht weit von ihnen entfernt. »Weißt du, wie hoch die Klippen sind?«
    San blickte zu der Stelle, wo die Felsen plötzlich abbrachen, und schüttelte den Kopf.
    »Fast tausend Ellen«, erklärte Ido. Und der Junge spürte, wie sein Mund trocken wurde. »Also, schau dich ruhig etwas um, wenn dir danach ist, aber pass gut auf dich auf«, brummte der Gnom, bevor er ihn losließ.
    Vorsichtig näherte sich San dem Klippenrand. Das Tosen, das von unten heraufklang, war ohrenbetäubend, voller und mächtiger noch als der Wasserfall in Laodamea, über dem der dortige Königspalast errichtet war und der ihn ebenfalls gehörig beeindruckt hatte.
    Als er die Kante erreicht hatte, blickte er nur einen kurzen Moment auf Meer und Himmel und verspürte dabei einen schmerzhaften Stich. Ob es wohl etwas jenseits davon gab, fragte er sich, und ob ein Mensch wohl jemals diese Weite ganz durchmessen hatte? Vielleicht hatte das Blau gar kein Ende, vielleicht spiegelten sich Meer und Himmel bis in alle Ewigkeit ineinander, ohne aber jemals ineinander überzugehen. Es war etwas zu Gewaltiges, um es auch nur denken zu können, es war die Unendlichkeit, und er fühlte sich winzig und erdrückt davon.
    Dann fand er den Mut, nach unten zu schauen, in den Abgrund, der sich nur eine Handbreit vor seinen Füßen auftat. Unter ihm, in atemberaubender Tiefe, brachen sich die Wogen hoch aufschäumend am Fels. Das Meer, das zuerst blau gewesen war, wurde fast schwarz, um sich dann in weißen Schaum zu verwandeln. Fast wie ein Tier, das versucht, die Steilwand zu erklimmen und eine Beute zu packen, kletterte das Wasser den Fels hinauf. »Überwältigend, nicht wahr?«
    Ido war hinter ihn getreten und schaute ebenfalls hinunter. San blickte ihn an und wusste, dass der Gnom die gleichen Dinge wie er selbst dachte, war sich sicher, dass diese leere Weite auch für Ido eine tiefere Bedeutung hatte. Er und ich, wir sind uns ähnlich, denn wir sind beide allein.
    San verbrachte eine schlaflose Nacht. Sie hatten Aufnahme! bei einem Fischer gefunden, der oben auf den Klippen wohnte. Er war ein wortkarger Mann mit dunkler, wettergegerbter, lederner Haut und schwieligen Händen, die ihm die tägliche Arbeit mit den Netzen eingetragen hatte. San hatte schon häufig von der Gastfreundschaft im Land des Meeres erzählen hören und sich die Bewohner immer als gutmütige Menschen mit rötlicher Haut vorgestellt. Schon Sennar war ihm anders vorgekommen, aber dieser Fischer hier wirkte nun alles andere als leutselig.
    Er bot ihnen eine warme Suppe an, wünschte ihnen eine gute Nacht und zog sich in seine Kammer zurück.
    San schlief in einem Bett, Ido am Boden auf einem Strohlager. Der Junge konnte sein leises Schnarchen hören. Doch es war etwas anderes, was seine Aufmerksamkeit fesselte. Das unaufhaltsame Rauschen des Meeres. In der vollkommenen Stille des Hauses hörte es sich fast dröhnend an, und er dachte, wenn Gefühle einen Klang hätten, wäre sein Schmerz so dröhnend wie dieses

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