Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
eine andere Richtung zu lenken.«
Ido blickte zu Boden. Wie oft schon hatte er nach Soanas Tod versucht, seine eigene Trauer im Kampf zu ersticken. Auch er selbst hatte dem
Unausweichlichen entfliehen und einem Schmerz Luft machen wollen, den er anders nicht ausdrücken konnte.
»Nun bin ich also Gräfin und weiß selbst nicht so genau, wie ich dazu kam. Ich bin die erste >Neue<, die es so weit gebracht hat, ein großer Erfolg, um den mich viele beneiden. Stolz sollte mich erfüllen, wenn ich höre, dass wieder ein >Neuer< in ein mächtiges Amt gelangt ist oder einfach nur ein normales Leben führen kann. In Wirklichkeit aber kommt mir alles, was ich in den zurückliegenden Jahren erreicht habe, ganz unbedeutend vor.«
Welchen Sinn hat es noch zu kämpfen? Welchen Sinn hat noch das, was ich tue? Die Beharrlichkeit, mit der ich weiter in die Schlacht ziehe, obwohl mein Arm immer schwächer und mein Blick trüber wird? Das hatte Ido sich schon vor vielen Jahren zu fragen begonnen, und so konnte er sich jetzt Ondines inneren Aufruhr nur umso besser vorstellen.
Ondine lächelte. »Verzeih, ich langweile dich sicher mit meinem trübsinnigen Gerede. Wie komme ich auch dazu, dich mit meinen Angelegenheiten zu behelligen?« Ihre Augen waren gerötet, und sie blickte ihn durch den Schleier ihrer Tränen an. Ido nahm noch einen Zug. Der wohlvertraute Tabakgeruch beruhigte ihn. »Nein, nein, ich verstehe dich nur zu gut. Wer wie du und ich schon einen langen Weg zurückgelegt hat und auf jenes letzte Stück bergab einbiegt, das zum Ende führt, macht sich eben solche Gedanken. Doch glaube ich, dass nichts von dem, was wir tun, sinnlos ist, auch wenn es mit Schmerzen verbunden ist. Sosehr man sich vielleicht auch bemüht, Vorwürfe macht sich wohl jeder beim Blick auf die Vergangenheit. Aber man sollte doch auch objektiv die Erfolge betrachten, oder meinst du nicht?«
Ondine lächelte wieder und wischte sich mit dem Handrücken über die Wange. Irgendwie schien sie erleichtert. Ido dachte, dass sie wirklich schön war, trotz der in Einsamkeit zugebrachten Jugend. Sie hatte es geschafft, ihre Schwäche in eine Stärke zu verwandeln.
»Später wird man euch die Räume zeigen, die ich für euch habe vorbereiten lassen«, wechselte sie das Thema.
»Oh, vielen Dank.«
Sie schickte sich an aufzustehen.
»Weißt du eigentlich, dass der Junge großes Talent auf dem Feld der Magie zu besitzen scheint?«, fügte der Gnom hinzu, während er ihr Handgelenk ergriff. »Er ist eben Sennars Enkelsohn ...«
»Ich habe mir überlegt, dass sich hier im Palast vielleicht jemand um seine Ausbildung kümmern könnte. Er wirkt sehr nervös und ist immer noch sehr mitgenommen vom Tod seiner Eltern. Wenn er etwas hätte, das ihn ablenken würde ...«
»In meiner Grafschaft gibt es eine Reihe tüchtiger Magier. Ich bin sicher, wir werden jemand Geeigneten finden, der sich seiner annimmt«, antwortete die Gräfin mit lächelnden Augen.
Ido lächelte zurück. »Du bist wirklich eine fantastische Gastgeberin.« Ondine errötete ein wenig. »Und du ein Schmeichler«, antwortete sie und entfernte sich lautlos.
Ido beobachtete ihren entschlossenen Gang. Vielleicht hatte sie vorher noch nie so ehrlich über ihre Gefühle geredet, und ihm wurde klar, dass sie ihm damit ein kostbares Geschenk gemacht hatte. Tief im Herzen empfand er ein starkes Mitgefühl mit dieser einsamen Frau, die doch in ihrem Leben so viel geleistet hatte, und ihr Bild überschnitt sich mit dem seiner Soana. Und wieder wurde ihm bewusst, wie alt und müde er war.
Es ist bald Zeit zu gehen, dachte er, fühlte sich aber nicht nur erleichtert, sondern auch niedergedrückt von der Gewalt dieses Gedankens.
Er sah zu San hinüber. Sein Schützling lag unter einem Baum und war eingeschlafen.
Der Blutgeruch war an diesem Tag besonders stark. Es hatte eine große Opferfeier gegeben, und eine gewisse Euphorie durchzog den Bau der Gilde. Yeshol, der Höchste Wächter, kannte sie gut, diese Stimmung. Es war die Ekstase des Tötens. Ein Rausch, der die Assassinen besonders in jungen Jahren überkam, wenn das Morden sie noch mit einem ungeheuren Allmachtsgefühl erfüllte. Im Alter hatten sich nur wenige diese Leidenschaft erhalten. Rekla war unter ihnen gewesen. Der Anblick und der Geruch von Blut hatten ihr Lust bereitet, und nur Thenaar allein hatte ihrem Leben einen Sinn gegeben.
Yeshol würde sie nie vergessen und immer betrauern. Niemals sonst hatte er sich einem der Assassinen
Weitere Kostenlose Bücher