Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
damit Theana ihr keine weiteren Fragen stellte.
Bald darauf erreichten sie den Markplatz. Dubhe hatte ihn sehr groß in Erinnerung, als einen Ort, der ihr immer als etwas Besonderes vorgekommen war, fast elegant, auf dem an Feiertagen die Leute in schönen Kleidern zusammenka men. So war sie überrascht zu sehen, dass es sich bloß um ein schmuckloses Quadrat von noch nicht einmal dreißig Ellen Länge handelte. Das Holzpodest, das die Sklavenhändler hatten errichten lassen, nahm fast eine ganze Seite ein, und die Leute, die sich davor versammelt hatten, standen dicht an dicht. Einige Kunden hatten sogar nur noch in den Seitengassen Platz gefunden, wo sie sich auf Zehenspitzen stellen mussten, um die Ware genauer in Augenschein nehmen zu können.
Der Soldat brachte sie in das Zelt hinter dem Podest, wo ihnen sofort ein strenger Geruch von Menschen und Angst entgegenschlug. Eine Gruppe weinender Frauen hockte zusammengedrängt in einer Ecke, andere bemühten sich, irgendwie Haltung zu bewahren, wieder andere starrten mit leerem Blick vor sich hin.
Zwischen ihnen saß ein Mann aufrecht auf einem Stuhl, wahrscheinlich der Händler. Dubhe brauchte eine Weile, bis sie ihn erkannt hatte. Er war fett geworden und sah sehr viel älter aus als die zwanzig Jahre, die er jetzt alt sein musste. Aber sein Blick war unverwechselbar: Es war Renni, ihr Spielkamerad. Er war bei dem Prozess dabei gewesen, und Dubhe wusste noch genau, dass er sie als Erster beschuldigt hatte. Mit kreischender, nervtötender Stimme hatte er ihr Dinge vorgeworfen, die sich wie Säure in ihr ohnehin schon belastetes Gewissen gefressen hatten. Erschrocken blickte sie ihn nun an. Wie gelähmt fühlte sie sich und wusste in dem Moment nicht, wie es weitergehen könnte. Der Soldat hinter ihr versetzte ihr einen Stoß. »Tritt näher! Was stehst du da und glotzt?«
Renni drehte sich um. Sein Hals versank im Fett, und seine feisten Hände krallten sich um die Armlehnenknäufe eines Stuhles, der ihn kaum zu fassen vermochte. Dubhe erinnerte sich, dass er ein schlanker, flinker Junge gewesen war, der wenig mit diesem Fettkloß vor ihr gemein hatte. Sie war wie betäubt von seinem schmierigen Blick, und während er sie so musterte, fiel ihr wieder ein, was er ihr damals vor der Urteilsverkündung zugezischt hatte: >Du wirst deine gerechte Strafe schon noch bekommen, da kannst du sicher sein.<
»Probleme?«, fragte Renni den Soldaten. Seine Stimme hatte sich nicht verändert. »Nein, alles in Ordnung. Aber diese Flittchen machen eben nichts als Ärger.« Renni lächelte selbstgefällig. »Na wenn schon, das kann uns doch egal sein. Den Ärger haben nur die Leute, die sie kaufen.«
Der Soldat löste die Ketten, und kaum hatte sich Dubhe von Theana gelöst, war ihr, als sei ihre Haut durchsichtig, als seien ihre innersten Organe für alle sichtbar. Er musste sie doch wiedererkennen, musste den Gestank ihrer Untat in der Nase spüren. Mit Sicherheit erinnerte er sich an diese Hände, die voller Blut waren, denn schließlich war er es gewesen, der vor dem ganzen Dorf ihre Schuld bezeugt hatte, schuldig, ohne mildernde Umstände, ohne Gnade. Renni war aufgestanden und wanderte jetzt um sie herum, um sie wie ein Stück Vieh von allen Seiten zu begutachten. Er betastete ihren Arm, forderte sie auf, den Mund zu öffnen, ließ seinen fleischigen Finger über ihren Körper wandern, bis seine Hand die Stelle berührte, wo ihre Sünde sichtbare Gestalt angenommen hatte: bei dem Symbol. Sie wurde unruhig und versuchte, den Arm zurückzuziehen. Doch im Nu streifte Renni ihren Ärmel hoch und entblößte die sich überschneidenden Pentagramme.
»Und was ist das?«
Er blickte ihr fest in die Augen, und Dubhe brachte kein Wort heraus. »Was ist das?«, tönte er.
»Das Symbol einer Priesterkaste.«
Dubhe drehte sich um. Es war Theanas Stimme. Unsicher, zitternd, doch sie war es, die das Wort ergriffen hatte.
»So was hab ich noch nie gesehen«, erklärte Renni und betrachtete das Zeichen genauer. »Als kleines Mädchen wurde meine Freundin einem Gott geweiht, um sie vor dem Roten Fieber zu retten.«
Er schaute Dubhe bewundernd an. »Ach so! Dann bist du also eine Überlebende ...«
Dubhe nickte verwirrt. Er hatte Recht. Er hatte so verdammt Recht. Nun wandte sich Renni Theana zu, begutachtete auch sie und überlegte dann, was er sich die beiden kosten lassen könnte. Schließlich ließ er sich wieder auf seinen Stuhl fallen und sprach sein Urteil: »Hundert Denar für
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