Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
fühlte sie sich sogleich heimisch. Gewiss war die Bibliothek in Laodamea, wo sie studiert hatte, um ein Vielfaches größer und besser ausgestattet, doch ihre geübten Augen hatten sofort erkannt, dass auch hier kostbare Bände zusammengetragen waren. Darunter viele - zu viele - verbotene Bücher der schwarzen Magie.
Volco öffnete eine Abstellkammer am anderen Ende des Saales. Darin lagerten einige Beutel mit getrockneten Blättern und ein Haufen wollener Lappen. »Du nimmst also diese Blätter und steckst eines zwischen die ersten beiden und eines zwischen die letzten beiden Seiten.«
Theana nickte wieder. Die Aussicht, in einer Bibliothek arbeiten zu können, begeisterte sie, wusste sie doch, welche Wissensschätze solche
Büchersammlungen bargen.
»Hast du schon mal mit Büchern zu tun gehabt?«
Sie überlegte kurz, was sie antworten sollte. »Nein, meine Hände sind nur an schwerere Arbeiten gewöhnt.«
»Kannst du wenigstens lesen?«
Theana schüttelte den Kopf. Es erschien ihr ratsam, sich so ungebildet wie möglich zu geben.
»Das ist aber schade für dich«, bemerkte Volco bedauernd. »Was meinst du, ich könnte dir ein wenig Unterricht geben?« »Wenn der Herr die nötige Geduld mit mir hätte ...«, antwortete sie, wobei sie sich mit einem Lächeln verneigte.
Der Alte schien gerührt. »Gut, darüber können wir immer noch sprechen. Du bist also von heute an jeden Nachmittag hier, einverstanden? An den ersten Tagen werde auch ich zugegen sein, um zu sehen, ob du zurechtkommst.« Und so geschah es. Den ganzen Nachmittag schlug Theana Bücher auf und tat dabei so, als könne sie nicht lesen, warf also höchstens einmal einen kurzen Blick hinein. Volco saß derweilen in einer Ecke und war bald schon in die Lektüre eines dicken historischen Werkes vertieft. Während sie so vor den Büchern saß, fragte sich Theana immer wieder, auf welche Weise sie ihre neue Aufgabe für ihre Zwecke nutzen könnte. Mit Sicherheit wurden hier Dokumente aufbewahrt, die mit den Ereignissen am Hof zu tun hatten, und vielleicht bargen sie Informationen, die Dubhe brauchen konnte. Im Stillen lächelte sie, während sie die Bücher auf-und wieder zuschlug. Endlich war auch ihre Zeit gekommen. Noch am selben Abend sprach sie mit Dubhe darüber. »Man hat mir eine Arbeit in der Bibliothek zugeteilt.«
»Ach, dort hast du also gesteckt ...«, bemerkte Dubhe, die sich gerade umzog. Es war ein Vorgang, der auf Theana stets einen gewissen Eindruck machte. Denn ihr war dann, als würde Dubhe ihre Haut wechseln. Trug sie ihre Männerkleidung, verschwand auf der Stelle diese freundliche, sanfte Ausstrahlung, die sie während der Arbeit in der Küche und bei anderen Gelegenheiten, wenn Fremde zugegen waren, zeigte. Trotz der anderen Haare wurde sie dann wieder sie selbst. Es war schon unglaublich, wie sehr sie ihr Aussehen allein durch ein verändertes Auftreten beeinflussen konnte.
»Ich muss jedes Buch zur Hand nehmen und darin herumblättern.« »Hast du Volco gesagt, dass du lesen kannst?«
Theana schüttelte den Kopf, und Dubhe lächelte. »Du lernst schnell ...«
»Beschreib mir doch mal diese Dokumente.«
Dubhe setzte sich zu ihr auf das Bett. »Du glaubst ...? Nein, die werden doch nicht in einer Bibliothek aufbewahrt.«
»Wo könnte man Pergamente besser verstecken als zwischen vielen anderen Pergamenten ...?«
»Damals, als ich sie gestohlen habe, waren sie in einer Nische in einer Wand hinter einem Teppich versteckt.«
Theana ließ sich nicht entmutigen. »Mag ja sein. Aber lass es mich doch versuchen.«
Dubhe seufzte. »Sie hatten gar nichts besonders Auffälliges. Es waren zusammengerollte Pergamentseiten, verschlossen mit einem Siegel aus rotem Wachs, ohne irgendein Wappen oder Kennzeichen.«
»Und was stand darin?«
»Das weiß ich doch nicht.«
Theana schien enttäuscht.
»Nun ja, auf alle Fälle werden in so einer Bibliothek viele Informationen gesammelt, und diese Gelegenheit sollten wir uns wohl tatsächlich nicht entgehen lassen.«
Das ließ sich Theana nicht zweimal sagen.
Sie begann gleich am ersten Tag, an dem Volco sie allein arbeiten ließ. Eilig versorgte sie noch einige Bücher, obwohl der Alte ihr für die Erledigung ihrer Arbeit eigentlich keine Frist gesetzt hatte. Aber er sollte eben keinen Verdacht schöpfen.
Dann stand sie auf, stellte sich in die Mitte des Saales und schaute sich um. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie anfangen sollte. Wie sucht man etwas, von dem man nicht
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